20. Juli 1944

„Nachkriegslegende“ oder „ein deutsches Missverständnis“?

„Wenn einst Gott Abraham verheißen hat,
er werde Sodom nicht verderben,
wenn auch nur zehn Gerechte darin seien,
so hoffe ich, daß Gott Deutschland
um unseretwillen nicht vernichten wird.“
Henning von Tresckow 1901 – 1944

„Es lebe das heilige Deutschland“
Claus Schenk Graf von Stauffenberg 1944

„Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen.
Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen
und weiß es bis heute nicht.“
Robert Habeck, Die Grünen

 

In den Zeiten da deutsche „Spitzenpolitiker“ an Kundgebungen teilnehmen, auf denen Parolen wie „Deutschland verrecke!“ oder „Deutschland du mieses Stück Scheiße!  skandiert werden, darf man nicht erwarten, dass Gedenktage wie der 20. Juli oder das Gedenken an die beteiligten Personen im deutschen Widerstand, zuvorderst Claus von Stauffenberg, nicht in den Dreck gezogen werden.
Das macht man aber nicht derartig plakativ, sondern in der ideologischen Selbstvergewisserung der 68er „Aufklärung“ eher subtil, z.B. mit einer rechtzeitig zum 75-jährigen Gedenken veröffentlichten „kritischen“ Biographie.
Anfang des Jahres erschien ein solche von Thomas Karlauf, einem Historiker und Mitglied der von Joschka Fischer eingesetzten „Unabhängigen Historikerkommission“ zur Aufarbeitung der Geschichte des Auswärtigen Amts in der Zeit des Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik.
Thomas Karlaufs eigentliche Obsession besteht in seinem Bezug auf Stefan George, zu dessen Kreis Stauffenberg einst angehörte. Karlauf meint, Stauffenberg sei durch Georges Einfluss zu nichts anderem als zu einem mehr oder weniger „ästhetisch-symbolischen Fanal“, einer nahezu zweckfremden, letztlich „dramaturgischen Tat“ verführt oder beeinflusst worden, wie dies Rezensenten der Biographie interpretieren.
Stauffenberg sei keinesfalls ein Gesinnungstäter gewesen. Er habe das Attentat nicht in einem Aufstand des Gewissens gegen die Brutalität der Judenverfolgung und anderen Verbrechen des Regimes begangen, sondern aus militärischen Erwägungen heraus.
Karlauf zieht auch die sattsam bekannten Klischees linker Geschichtserklärer hervor: Stauffenberg sei aufgrund seiner adligen Herkunft und Erziehung von einem elitär-undemokratischen Selbstbewusstsein erfüllt gewesen, antiliberal und antirepublikanisch; er habe die Grundideen des Nationalsozialismus befürwortet und implizit wird ihm aufgrund eines Briefes im Rahmen der Besatzungserfahrungen in Polen 1939 gar der nazistische Antisemitismus unterstellt.

Das passt in die Sicht der 68er Nachfolgegenerationen, dass der „angeblich“ maßgebliche Widerstand gegen den deutschen Faschismus nicht von Arbeitern, Bauern, Hausfrauen, Häftlingen und Deserteuren, sondern von Grafen und Generälen, Faschisten und Kriegsverbrechern geleistet worden sei.
So darf man sich denn nicht wundern, in der „Welt“ zu lesen: „Eine neue Stauffenberg-Biografie räumt mit Nachkriegslegenden über den deutschen Widerstand auf.“ Erstaunlicherweise folgten nicht alle Rezensenten in den Wahrheitsmedien der Sicht des Biographen. Gar von Jens Jessen von der ZEIT erschien eine heftige Entgegnung, in der er sich verwahrte, dass Karlauf in seinem Buch die Attentäter als auch nicht viel besser als die Nazis darstellte

Schon 1994 hat Der Spiegel (!) festgestellt:

„In fataler Übereinstimmung haben die Propagandatechniker des Regimes und die Wortführer der gegnerischen Mächte im Verlauf der letzten Phase des Krieges ihre Tat verkleinert und ihre Beweggründe herabgesetzt. Churchill beschrieb den 20. Juli im Unterhaus als inneren, mörderischen Streit um die Macht, und aus Moskau begrüßte Rudolf Herrnstadt das Scheitern dieses letzten Versuchs von „Herrenclub, Reaktion usw.“
Das setzte sich über das Ende des Regimes im Mai 1945 hinaus fort. Der Widerstand scheiterte noch einmal. So wenig wie in den zurückliegenden Jahren stieß er auf Zustimmung oder nur Verständnis, weder von außen noch im Innern.

 

Am 20. Juli 1966 hielt der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr-General Ulrich de Maizière in der Bonner Beethovenhalle unter der Überschrift Der Widerstand formt das Traditionsbild der Bundeswehr“ eine Gedenkrede, welche heute gewiss wieder zu Widerspruch führen würde. Er sagte u.a.:

„Stauffenberg … ist gestorben für das ganze „heilige“ Deutschland, um mit seinen letzten Worten zu sprechen. Ebenso sicher aber hat er sich dabei ein Deutschland in freiheitlicher und rechtsstaatlicher Ordnung vorgestellt. Sein Kampf galt der Diktatur, der unrechtmäßigen Gewalt, dem Verfall von Anstand und Moral, der Verletzung menschlicher Würde, dem Missbrauch guten Willens. Für ihn und seine Freunde hätten Bautzen und Workuta in einer Linie mit den Konzentrationslagern des 3. Reiches gestanden.

Die Problematik setzt erst ein, wenn eine Staatsführung die legale verfassungsmäßige Grundlage verlässt, wenn sie moralische Maßstäbe missachtet, wenn sie Freiheit, Recht und Menschenwürde mit Füßen tritt, kurz wenn sie zur verbrecherischen Staatsführung wird, Opposition und freie Meinungsäußerung verhindert. Das aber ist eine Ausnahmesituation. Die Verhaltensweise für solche Fälle kann nicht gesetzlich kodifiziert werden. Hier setzt die freie Entscheidung des sittlich gebundenen Gewissens ein.“

De Maiziere verweist auf den Moralkodex, der auch für Soldaten zu gelten hat.

In seiner Schrift „Die Schuldfrage“ befasste sich Karl Jaspers auch mit der Frage der „soldatischen Ehre“. Er unterscheidet zwischen der „soldatischen Ehre“ und dem politischen Sinn.

„ … das Bewußtsein soldatischer Ehre bleibt unbetroffen von allen Schulderörterungen. Wer in Kameradschaftlichkeit treu war, in Gefahr unbeirrbar, durch Mut und Sachlichkeit sich bewährt hat, der darf etwas Unantastbares in seinem Selbstbewußtsein bewahren. Dies rein Soldatische und zugleich Menschliche ist allen Völkern gemeinsam. Hier ist Bewährung nicht nur keine Schuld, sondern, wo sie unbefleckt durch böse Handlungen oder Ausführung offenbar böser Befehle wirklich war, ein Fundament des Lebenssinnes.

Aber die soldatische Bewährung darf nicht identifiziert werden mit der Sache, für die gekämpft wurde. Soldatische Bewährung macht nicht schuldfrei für alles andere. 

Doch die Pflicht gegen das Vaterland geht viel tiefer als ein blinder Gehorsam gegen jeweilige Herrschaft reicht. Das Vaterland ist nicht mehr Vaterland, wenn seine Seele zerstört wird. Die Macht des Staates ist kein Ziel an sich, sondern vielmehr verderblich, wenn dieser Staat das deutsche Wesen vernichtet. Daher führte die Pflicht gegen das Vaterland keineswegs konsequent zum Gehorsam gegen Hitler und zu der Selbstverständlichkeit, auch als Hitlerstaat müsse Deutschland unbedingt den Krieg gewinnen …“.

In der Stauffenberg-Biographie von Thomas Karlauf werden die weiterreichenden Kontakte und Verflechtungen der militärischen Widerstandsgruppe um Stauffenberg, Tresckow u.a. mit dem zivilen Widerstandskreis ausgeblendet.
Stauffenberg hatte engen Kontakt zu dem kämpferischen und „rechten“ Sozialdemokraten Julius Leber, der denn Anfang 1945 hingerichtet wurde.
Brigitte Seebacher-Brandt schreibt in ihrem Essay „Julius Leber – der Volkstribun als Verschwörer, der Tatmensch als Opfer“:

Jene freiheitlich-militante Tradition, die Leber verkörperte, war die Tradition der Außenseiter gewesen. Daß sie so sehr dem Vergessen anheimgegeben wurde, lag in jenem Blutopfer begründet, das zu erbringen immer nur die wenigen gemacht sind. Und an das die vielen nicht gemahnt werden möchten. Denn es wäre das Eingedenken der eigenen Schwäche.“

Was Seebacher-Brandt in ihrem Essay herausarbeitet, ist damit auch eine Anklage nicht nur gegen die damalige und damit die „wiederaufgelebte“ SPD, die sich dem militärischen und real existierenden politischen Widerstand im Dritten Reich letztlich verweigert hatte: „Die Partei, die sich in ihrer großen Mehrheit über die Zeit gerettet hatte und nun wiederauflebte, war die gleiche, die 1933 untergegangen war und die sich in ihrer Führung wiedererkennen wollte.“
Das gehört ins Stammbuch der SPD, was die aber gewiss nicht so wahrhaben will. 

Die Männer vom 20. Juli 1945 haben samt und sonders Tapferkeit bewiesen, sie waren Helden.
Held, ein Wort, das hierzulande nicht in den Mund genommen werden sollte, denn besonders

„Deutsche Helden müsste die Welt, tollwütigen Hunden gleich, einfach totschlagen.“- 

wie Joschka Fischer von den Grünen einforderte.

Nicht mal mehr von Tapferkeit, wie sie die Männer des 20. Juli – auch ihre Ehefrauen und Angehörige – damals bewiesen haben, kann man in den Zeiten des herrschenden Maulheldentums noch sprechen.
Johannes Gross hat den Zeitgeist richtig beschrieben:

“Die Tapferkeit ist die einzige Tugend, die sich der Heuchelei entzieht. Kein Wunder, daß sie nicht in hohem Ansehen steht.“

Ulrich de Maiziere im Schlusswort seiner oben zitierte Ansprache zum 20. Juli 1944:

„Tun wir das Unsere, jeder an seiner Stelle, eine Gesellschaftsordnung zu bewahren und zu schützen, in der die Freiheit herrscht, die mit moralischen Maßstäben verbunden bleibt.“

Und ich möchte darum beten, dass Gott uns dazu mit dieser Tapferkeit ausstattet, welche die Männer vom 20. Juli 1944 auszeichnete. 

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Eine Antwort zu 20. Juli 1944

  1. Peter Helmes sagt:

    Ich danke altmod für diesen großartigen und in der heutigen politischen Grundströmung mutigen Kommentar, der vorbildlich und von großer Verantwortung für unser Vaterland getragen ist.

    Ich schäme mich für die Linksgrünen unseres Landes, die die bedrohte Freiheit unseres Landes mit Füßen treten und zulassen, daß große geschichtliche und tapfere Vorbilder verächtlich gemacht werden. altmod´s heutiger Beitrag müßte ihnen zur Pflichtlektüre werden.

    20. Juli 2019, Peter Helmes, (www.conservo.wordpress.com)

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