Ein ausgesuchter Blick auf einige Päpste*

von Dr. Juliana Bauer, Kunst- und Kulturhistorikerin

Es ist mal wieder bezeichnend, wie der neue Papst, LEO XIV., von den Katholiken bestimmter Richtungen bereits vereinnahmt wird. Sowohl die Tradis, d.h. die „Superfrommen“ und „Lehramtstreuen“, als auch die Deutsch-Synodalen, die Gender- und Transgender-Liebhaber, sehen mittlerweile „ihre“ Anzeichen für einen Papst ihrer Wünsche und Visionen angedeutet bzw. bestätigt. 
Aber noch ein Wort zu einigen vorangegangenen Päpsten, mit denen ich in meiner römisch-katholischen Familie groß geworden bin 

PIUS XII.

Papst Pius XII. war bei den Katholiken der 50er Jahre hochgeschätzt. Ab 1963 begann mit Rolf Hochhuths Schauspiel „Der Stellvertreter“ seine Verunglimpfung durch die Linken, insbesondere die Kommunisten. Die „Neuentdeckungen“ stellten sich der bis dahin positiven Sicht, vor allem vieler JÜDISCHER Vertreter, entgegen. So betonte Elio Toaff, der Großrabbiner von Rom (1951-2002) beim Tod Pius‘ XII. 1958, die „mitfühlende Güte und Hochherzigkeit des Papstes während der Unglücksjahre der Verfolgung und des Terrors.“ So hoben auch ISAAK HaLEVY HERZOG, der aschkenasische Oberrabbiner von Palästina/Israel (1937-59) oder die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir (1969 – 1974) u.a., die Hilfen Pius‘ „für unsere unglücklichen Brüder und Schwestern in dieser höchst tragischen Stunde unserer Geschichte…“ hervor. 
Ich selbst setzte mich mit Papst Pius XII. hinsichtlich kirchlicher Fragen wenig auseinander. Ich weiß aufgrund einiger weniger Recherchen nur, dass er bereits erste, noch zarte liturgische Änderungen vorgenommen hatte – ganz entgegen den strafandrohenden Anweisungen jenes freudlosen, gegen Andersgläubige hasserfüllten Papstes des Tridentinums, Pius V. (1566-72).
Mein Interesse an Pius XII. erwachte insbesondere bezüglich der Judenfrage, da ich ein Buch „16.Oktober 1943. Die Razzia an den römischen Juden“ aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzte (noch unveröffentlicht). In dem 1991 erschienenen Buch, in dem er zwar ebenso schlecht wegkam, schimmerten jedoch Hinweise auf angedeutete Hilfsmaßnahmen durch, sodass ich mit Recherchen zu dieser Fragestellung begann. 
Und ich muss in dieser Frage für Pius XII. eine Lanze brechen. 
Er half u.a. tausenden von Juden: er half mit, dass sie sich in allen, mehr als 400 römischen Klöstern verstecken konnten, dass sie bei vielen Privatleuten Unterschlupf fanden. Er öffnete während der Jahre 1944-45 für 3000 Juden und andere Flüchtlinge seinen Sommersitz in Castel Gandolfo – eine Hilfsaktion, die er sehr diskret durchführen ließ, um die Menschen nicht zu gefährden, aber auch ein Akt der Demut, der ihn seine adlige Herkunft um der Menschen willen völlig vergessen ließ. Ebenso kümmerte er sich 1945 unermüdlich, gemeinsam mit seinen Helfern, um die hungernde Bevölkerung Roms, beschenkte an Weihnachten tausende von Kindern, die er z.T. selbst aufsuchte. Die Römer erlebten ihn als „Papa buono“; den Titel erhielt dann später Johannes XXIII., der als der sehr gütige Papst verehrt wurde.

JOHANNES XXIII.

In der Tat öffnete dieser die verkrustete Kirche nach verschiedenen Seiten und verurteilte die Menschen nicht mehr nach kirchlichen Lehramts-Geboten – eine Tatsache, die die Runde machte und von den katholischen Traditionalisten, die oft keinerlei biblische Kenntnisse aufweisen und nur nach der tridentinischen Tradition schreien, noch heute als Aufweichung der „unverfälschten“ Lehre kritisiert wird. Meine Mutter, eine Konvertitin, die vor ihrem Übertritt in die katholische Kirche zahlreichen Repressalien von einigen Verwandten meines Vaters, ihres damaligen Freundes, ausgesetzt war, nahm den frischen Wind, der von Johannes XXIII. und der Aufbruchsstimmung des von ihm ins Leben gerufenen II. Vatikanischen Konzils ausging, sehr dankbar auf. Etliche Priester wurden nach dem Konzil vorsichtiger und verurteilten z.B. die Eheleute in den Beichtstühlen nicht mehr bzw. viel weniger ob ihrer ehelichen Liebe. Auch die Katholiken, die mit einem evangelischen Partner verheiratet waren, entgingen nun der Verurteilung und Verdammnis.
Die Einfachheit und Demut dieses Papstes, der selbst aus bäuerlicher Armut stammte und diese Herkunft nie verleugnete, bewegte über seine Offenheit hinaus zeitlebens die Italiener und viele andere Katholiken (auch wenn er die päpstliche Tiara noch nicht verabschiedet hatte). Er hatte die kuriale Hierarchie mit ihren starren Regeln immer wieder durchbrochen und ging auf die Menschen mit Herzlichkeit und Unvoreingenommenheit zu. So brach er immer wieder aus den Mauern des Vatikan aus und mischte sich unters römische Volk, wo ihm die Herzen zuflogen, so besuchte er als erster Papst das große Gefängnis Roms – ein Vorläufer also von Papst Franziskus. 

JOHANNES PAUL II.

Ich mache einen Sprung zu Papst Johannes Paul II. Als dieser gewählt wurde – ich wohnte damals in Freiburg – waren viele Priester dort entsetzt. Sie befürchteten einen Rückschritt in alte Strukturen, was sich z.T. bewahrheitete. Kaum war Johannes Paul das Oberhaupt der Kirche, fuhr er z.B. die unter Johannes XXIII. und Paul VI. relativ problemlos gehandhabte Laisierung der lateinischen Priester, die heirateten und ihr Amt aufgeben mussten, zurück. 
Was bedeutete, dass diese Männer nicht nur ihr Priesteramt los waren, sondern jahrelang nicht kirchlich heiraten konnten und damit – nach der unerbittlichen Lehre der römischen Kirche – jahrelang in Sünde lebten. Und geächtet waren. Zumindest noch in den 80er Jahren. Geächtet wie Schwerverbrecher. Und nicht nur sie, sondern mit ihnen ihre gesamte Familie. Dazu hatte ich einmal eine Publikation in der Hand. Zum Glück hat sich die negative Einstellung einem Priester gegenüber, der heiratet und sein Amt verlassen muss, bei der Mehrzahl der Gläubigen geändert. Eine Ausnahme bilden die Tradis, die sich offenbar für sündenlose Reinheitsapostel halten…
Dass der verpflichtende Zölibat für die Nachfolger Jesu kein Gebot Jesu ist, dass sich der Apostel Paulus trotz seiner Bevorzugung der Ehelosigkeit sich gegen das Verbot einer Heirat als eine nicht von Gott kommende Heuchelei stellte und dass es in den weiteren Teilkirchen Roms, den katholischen Ostkirchen, bis zu 90% verheiratete Priester gibt, ist hier nicht weiter das Thema. 
Papst Johannes Paul II. zeigte sich jedoch nicht allein als ein verbissener Verfechter des verpflichtenden Zölibats. Er wollte auch partout mit dem Kopf durch die Wand hinsichtlich von ungeeigneten Bischofsernennungen. So hatte er den Vorgänger Christoph Schönborns, den reaktionären und immer stärker des Missbrauchs belasteten H. H. Groer, trotz angeblich dringenden Abratens von Bischöfen zum Erzbischof von Wien ernannt, desgleichen den verbohrt traditionalistischen K. Krenn als Weihbischof, dann als Bischof von St.Pölten. Massive Unruhen unter dem Kirchenvolk und permanente Proteste waren die Folgen… 

BENEDIKT XVI.

Und an dieser Stelle last not least – unser Benedikt. „Benedikt der Große“, wie ihn sein Ziehsohn Gänswein in „vorausschauender“ Wunschvorstellung schon nannte. 

BENEDIKT der Träumer u. Beschöniger… Der „Diener der Wahrheit“, wie sein Bischofsspruch lautete, der er aber vielfach nicht war… 
Der z.B. in seinem Riesenartikel über „Das katholische Priestertum“ eklatante Widersprüche und Heucheleien pflegte. Wo schon der Titel allein die Unwahrheit darstellt und eine Irreführung ist.
Denn: Benedikt schrieb nicht über das „katholische“, sondern einzig und allein über das lateinische Priestertum. Das „Herzstück“ seines Textes war – wie kann es anders ein – der „heilige“ Zölibat, der breiten Raum einnimmt und der, wie wir wissen, nur den Priestern der lateinischen Kirche aufoktroyiert wird. Der Titel müsste demnach korrekt heißen: „Das Priestertum der lateinischen Kirche.“ 
In Benedikts Abhandlung spielen nämlich die katholischen Ostkirchen keine Rolle, diese lässt er einfach außen vor. Er hatte also nur die Lateiner im Blick. Doch damit berücksichtigte er 23 Teilkirchen SEINER Kirche überhaupt nicht. 
Und er berücksichtigte auch, daraus folgend, nicht den Ehestand jener Priester, dem, wie bereits gesagt, fast 90% angehören. Stattdessen verstieg er sich in seinem Zölibats-Gefasel in eine Ideologie an Widersprüchen, Lügen, Heucheleien und „heilig-lichtvoller“ Schwärmerei, die der Realität vielfach entgegensteht.
In gleicher Weise stritt er in dem gleichen Artikel die jahrhundertelange negative Einstellung seiner Kirche zu Leiblichkeit und Sexualität ab. 
Er wollte nicht wahrhaben, wie häufig Eheleute über Jahrhunderte hinweg ob ihres leiblich-sexuellen Zusammenseins von Klerikern drangsaliert wurden – was sein Nachfolger, Papa Francesco, später als eine „schwere Sünde“ dieser Kleriker herausstellte. 
Er wollte nicht wahrhaben, dass die Priesterehe den mittelalterlichen Reformpäpsten insbesondere der Sexualität wegen ein Dorn im Auge war und dass diese Päpste Sexualität und Leiblichkeit in drastischen Worten verdammten – in Worten, die von einigen ihrer Sorte überliefert sind und die Benedikt als hochstudiertem Wissenschaftler m. S. bekannt waren. Stattdessen träumte er auf den rosaroten Wolken des „Paradieses“, wo „Gott Mann und Frau erschuf… und sie zusammengab…“ Auf Wolken, von denen der Schmalz unaufhörlich tropfte… – Wobei die Pardieserzählung ihre Berechtigung hat, von der sich die klerikalistische, häufig kriminelle lateinische Kirche lange abgewandt hatte…

Und – zum Abschluss meines Ausblicks ein BAYERISCH-BENEDIKTINISCHES SCHMANKERL.
Selbst in seinen Familiengeschichten, mit denen er dem katholischen Publikum mitunter Vergnügen bereitete, machte Benedikt Hörern und Lesern ein X für ein U vor. Nachdem bekannt wurde – auch aufgrund von Archivnachweisen –, dass seine Mutter Maria unehelich geboren wurde (übrigens auch seine Tiroler Großmutter und sein schwäbischer „Großvater“), dass Maria jedoch – bei der Hochzeit der Mutter 18 Monate alt – nicht vom Ehemann ihrer Mutter offiziell als Kind anerkannt und legitimiert wurde (wie es damals hieß) und daher nicht seinen Namen erhielt, sondern bis zu ihrer Eheschließung den Mädchennamen ihrer Mutter trug, erklärte Benedikt diese Tatsache als „juristisches Versäumnis.“ Denn dass die Großmutter, die übrigens bei der Hochzeit bereits wieder schwanger war, wohl vorher mal mit einem anderen Mann „amore machte“, konnte ja unmöglich sein… … … Sie und der „Großvater“ hatten sich ja „schon lange die Ehe versprochen…“ 

Ja, die wahren Geschichten eines Papstes! Der zudem bezüglich der strengen, die Sexualität betreffenden Moralgebote im Katechismus der katholischen Kirche FEDERFÜHREND war… Dessen Vorfahren aber gleich so vielen anderen, auch frommen Leuten, zwischen rigidem Moralkodex und leiblichen Freuden schwankten… Den Freuden des Lebens eben…

Soviel mal zu einigen Päpsten!

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*- Ich danke Frau Bauer ganz herzlich, dass ich diesen Beitrag von ihr für altmod übernehmen durfte – in Ergänzung zu meinem eigenen, vorausgegangen Beitrag „Meine Päpste“.
Ich freue mich über Kommentare, die auf altmod immer niveauvoll und „gesittet“ waren.
Danke!

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