Ich habe ein Faible für dieses „perfide Albion“: kein Land der Welt hat so eine ruchlos-unterhaltsame Geschichte wie dieser Inselstaat. Und keiner bringt es fertig, diese literarisch und so „smart“ aufzubereiten, wie unsere Vettern von der Insel – Ohne “Bewältigung“ geschweige denn „Schuldkult“.
Sie sind unsere nähesten Verwandten aus germanischem Geblüt mit einer Einsprengung eines keltischen Genoms – wie auch bei uns Hiesigen zwischen Etsch und Belt. An ihnen sind die Römer verzweifelt, wie diese auch hierzulande östlich und nördlich von Rhein und Main. Von den Römern lernen, heißt siegen lernen und so haben die nicht ausgerotteten Briten und die auf die Insel zugewanderten Sachsen und Normannen es geschafft, ein noch ungleich größeres Imperium aufzurichten: nur mit ihrer Seemacht und einem eisenharten Willen verbunden mit kriminellem Verhalten.
Diese den Engländern wesenhafte Delinquenz hat denn wohl die umfangreichste Schar von Kriminal-Schriftstellern – vor allem auch Schriftstellerinnen – hervorgebracht und animiert.
Schon der erste englische – und eigentlich auch deren einziger – Großdichter, William Shakespeare, schöpfte sein Oeuvre ausschlaggebend aus „Crime and Sex“, der Lasterhaftigkeit wie auch der Grandeur seiner Könige und Potentaten: Richard III. und Macbeth, die „Königsdramen“ der Heinriche IV – VIII. und viele mehr.
Charles Dickens und Robert L. Stevenson waren im Grunde „Kriminalschriftsteller“ wie dann Arthur Conan Doyle. Danach die großen alten Damen des Kriminalromans, Agatha Christie und Dorothy Sayers oder Caroline Graham; dazu Edgar Wallace und Francis Durbridge, die einem deutschen Publikum bekannter geworden sind, als mancher deutsche Krimi-Autor. Mir fällt da auch gerade keiner von dieser Qualität ein. Wir haben ja auch im speziellen Vergiften, Erdolchen, Erwürgen, Aufspießen, Schädeleinschlagen oder singulären Erschießen – auch oder gerade in höchsten Kreisen – keine solche Tradition. Diese schändlichen 1000 Jahre in unserer Geschichte müssen dabei außen vor bleiben.
Zu meinen Lieblings-Lesestoffen gehören historische Romane zur englischen Geschichte, ob von Bernard Cornwell oder von der deutschen „Mediävistin“ Rebecca Gable´, auch Ken Follett ist nicht schlecht. In dem Genre geht es um sich gegenseitig metzelnde Sachsen und immigrierende Nordmänner, um den Artus-Mythos, die „Rosenkriege“ oder um die 100-jährige Abschlachterei zwischen den „Froschfressern“ und „Inselaffen“; dann über dieses Monstrum Henry VIII. und seine „jungfräuliche“ Tochter Elizabeth, die ihre Rivalin aus Schottland ratz-fatz um einen Kopf kürzer machen ließ, und es auch den bigotten Spaniern auf jede Weise heimzahlte.
Köstlich das alles.
Und heutzutage „Midsomer Murders“ – erfunden von Caroline Graham.
Einer der ganz wenigen Anlässe, mich vor die Glotze zu setzen ist, wenn eine neue Folge von „Inspector Barnaby“ ausgestrahlt wird.
Gerhard Stadelmaier schreibt in „Deutschlandglotzen: Ganze Tage vor dem Fernseher“ dazu:
„Es gibt die schöne Anekdote, dass sich die britische Königin Elisabeth II. auf eine amüsierte Art besorgt oder auch auf eine besorgte Art amüsiert bei der BBC erkundigt haben soll, ob denn in der Grafschaft Oxfordshire, speziell im Ort Wallingford die Gefahr bestünde, dass dort die Gemeinschaft der Untertanen Ihrer Majestät über Jahr und Tag völlig ausstürbe, wenn jede Woche neben den natürlichen Todesfällen mindestens drei Morde geschähen. Die Stadt Wallingford nämlich ist mit ihren leicht hübsch verkommen-behaglichen Fassaden und Revieren die Kulisse für »Midsomer Murders« und trägt in dieser erfolgreichsten und in über 200 Länder verkauften britischen Kriminalfernsehserie, die im ZDF und ZDFneo als »Inspector Barnaby« in deutscher Fassung zu sehen ist, den Namen »Causton«, Sitz des Polizeireviers, in dem Inspector Tom Barnaby, gespielt von John Nettles, später dann, nach Toms Pensionierung, sein Vetter John Barnaby, verkörpert von Neil Dudgeon, die Chefs sind.“
In der Tat gibt es pro Sendung mindestens drei Morde in unterschiedlichster Ausformung.
Da wird nicht nur einer mit der Mistforke perforiert; Mann oder Frau werden eliminiert mit diversen Giftsubstanzen – dem Tee, Whisky oder Brandy beigemischt; es werden Erschlagene von herabstürzenden Mauerzinnen, Kultsteinen oder Beleuchtungsskörpern im Provinz-Theater vorgeführt; dann wird jemand durch messerscharfe Zacken einer Egge durchlocht oder es werden stahlscharfe Pfeile, von sirrenden Bogensaiten weggewuchtet, Schuldigen wie Unschuldigen in den Leib gejagt; Quergestellte Holztransporter rasieren das Deck eines Kleinwagens samt drinnen sitzender Lenkerin völlig weg; Rollstühle, die außer Rand und Band geraten und ihren Fahrer in den Tod schleudern; chemische Flüssigkeiten, die auf Körper geschüttet werden und den Betreffenden bis zur Unkenntlichkeit verbrennen; jedwede Art von Strangulierungen, Erschießungen und auch Kehle-Durchschneiden mit Küchenmessern oder scharfen Gartenwerkzeugen wird vorgeführt; dann wird einer von der Anlasserkurbel eines Oldtimer-Autos an einer Wand aufgespießt; dazu gehören ganz viele, die von Kirchtürmen gestürzt oder auch in Kirchengrüften mit mittelalterlichen Schwertern durchbohrt oder lebendig eingesargt werden, usw.
Ach ja, als Kulissen dazu diese wunderschönen alten Kirchen – wie auf einer Weihnachtskarte gepinselt, die pittoresken Cottages und Häuser im Tudor-Stil, alte Herrenhäuser oder schloßähnliche, vor sich hingammelnde Baulichkeiten mit gleichwohl vergammelnden, schrulligen Bewohnern.
Das ist das Albion, wie ich es liebe.
Schade, dass die Royals nicht mehr so richtig liefern, dieses eigentlich auch mehr deutschblütige Gesocks im Buckingham-Palast. Mit „The Crown“ lieferte Netflix mir über etliche Wochen beste Abendunterhaltung, zu welcher die ÖRR-Unterhaltungs-Dilettanten gar nicht in der Lage wären – wenn es nicht aufgekaufte BBC-Produktionen wie „Barnaby“ gäbe.
Darum zum Schluß: „God Save the Queen!“
Herrlich! Wieder ´mal ein perfekter altmod!
Und das perfide Albion feiert fröhliche Urständ´- als Mustervorlage für Gruselkrimis, die ans Gemüt gehen.
Danke, lieber altmod!
(auch danke für das „königliche Gesocks“. Das trifft´s!)
werter altmod, da tun sich ja abgründe auf! abgründe!!!
ich bin ein stück weit verwirrt und werde mir jetzt zum neutralisieren eine doppelte dosis rosamunde pilcher gönnen 🙂
einen schönen sonntag noch!
h ttps://www.youtube.com/watch?v=Rmy6VduR0sI
ps
mit diesem beitrag ist ihnen ein wunderbar schwarz-humoriges meisterstück gelungen. chapeau!