Eine persönliche Bilanz.
Bin ich aus der Zeit gefallen, aus der heutigen wie der damaligen?
Die akademische Flachzange Heribert Prantl von der SZ mühte sich in einem Artikel damit ab, was von 68 übrig geblieben sei. Ich stimme ihm zu, wenn er unter Bezug auf Habermas meint: »Frauenemanzipation, Ökologie- und Anti-Atombewegung, die Friedensbewegung, eine entspießerte Sexualmoral, die umfassende Demokratisierung der Gesellschaft … auch der klare scharfe Blick auf den Nationalsozialismus.«
Mit »der umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft« liegt Prantl jedoch daneben.
Aus diesen »68ern, die den Marsch durch die Institutionen erfolgreich absolviert haben, ist ein staatstragendes Milieu geworden, welches Orwells 1984 und Huxleys »Schöne neue Welt« in praxi antizipierten.
So wie es die Aushebelung unserer Grundrechte und die gesellschaftliche Transformation und Spaltung »in Zeiten der Pandemie« belegt.
Da war und ist nichts mehr von der damaligen Aufmüpfigkeit der Protagonisten zu vernehmen.
Als Student in den 60er Jahren, 1968 zwanzig Jahre alt, geriet ich zwangsläufig hinein in die damalige Studentenbewegung, diese so gesellschaftskritische politische Bewegung, mit ihren »hehren« Zielen für die Welt. In der eher provinziellen Universitätsstadt Würzburg spielte sich das nicht ganz so markant ab, wie in Frankfurt oder Berlin, wo dazu die Revolution auf der Straße geprobt wurde.
Ich identifizierte mich durchaus mit einigen Dingen:
• Ich wollte mir einfach nicht mehr »von oben« sagen oder vorgeben lassen, was ich zu denken hätte (Ergebnis eines liberalen Elternhauses und einer guten Schule).
• Ich wollte durchaus, wie Willy Brandt sagte „mehr Demokratie wagen“.
• Ich wollte mich nicht mehr einer vorgegebenen spießigen Moral gängeln lassen.
• Ich wollte mich bei kritischen und nach eigener Ansicht auf den Grund gehenden Fragen von Professoren und „Autoritäten“ nicht mehr mundtot machen lassen.
• Ich hatte schon lange fragwürdig gewordene Einflüsse, wie z.B. durch die Kirche, in Frage gestellt.
• Ich wollte in Diskussionen frei aussprechen dürfen – ohne Abstrafungen – was einem durch den Kopf geht.
• Ich identifizierte mich mit der Resistenz gegen Medien wie die Bild-Zeitung, mit ihrem verdummenden Krawall-Journalismus.
• Ich wollte sagen dürfen: viele unserer Väter und Mütter sind auf ein verbrecherisches Regime hereingefallen und dass wir, alle ihre Nachkommen, die Folgen zu tragen haben werden.
• Dass die in München, Frankfurt, Berlin etc. knüppelnde Polizei Assoziationen an – gottseidank nicht erlebte – schlimmste deutsche Zeiten wecken.
Nichts anfangen konnte ich – oder ich wollte mich damit nicht gemeinmachen:
• Mit Marxismus oder dem Neomarxismus der Frankfurter Schule bzw. der sog. Neuen Linken.
• Mit Hồ Chí Minh oder Mao.
• Mit der undifferenzierten Kapitalismus-Kritik, die so „En Vouge“ erschien.
• Mit den »Ostermarschierern«, die mir vom Osten gelenkt erschienen.
• Mit dieser »Revolution«, die wichtiger erschien als Demokratie,
• Mit absichtlich flegelhaftem Auftreten gegenüber Älteren, aber auch (despektierten) „Autoritäten“.
• Mit dem geifernden Argumentations- und Rede-Stil eines Rudi Dutschke und anderer studentischer »Revolutionäre«.
Ich habe mich damals an einer einzigen Demonstration beteiligt, im guten Glauben, gegen die Notstandsgesetze sein zu müssen (gar im harmlosen Würzburg gab es solche Demonstrationen). Als ich dann erlebte, worum es den Veranstaltern dort im Grunde ging, und wie eigentlich objektive Beiträge um die Sache gar nicht erwünscht waren, endete meine 68er-Anteilnahme.
Von da an war in mir ein unausrottbarer Skeptizismus gegen jegliche ideologische, »staatstragende« – oder auch nicht, sich auch als »wissenschaftlich« gebende Sichtweise entstanden, der mich bis heute leitet.
Was ich mir aber durchaus zurückwünsche, wenn ich mir die Entwicklungen in unserer Gesellschaft, in unserer Demokratie in den letzten Jahren betrachte, dazu die sog. Eliten, die jetzt Meinungs- und natürlich Fakten-bildend sind, wären die durchaus fröhliche Autoritätskritik von »68«, die koketten Happenings von damals mit durchaus geistvollen Reizvokabeln gegen die Mächtigen.
Nun gut, es gibt ihn noch, den »zivilen Ungehorsam«, der damals propagiert wurde, dem nicht wenige anhängen, wie ich auch – »Querdenker«, Impfverweigerer, usw.
Ich wünsche mir aber auch eine Studentenschaft zurück, die sich nicht so ideologisch versaut gibt, wie die heutige – die ihre Universitäten und jegliche Bildungsanstrengungen zerstört: »Woke« mit »Cancel Culture«, FFF, Antifa und Genderismus; ohne Hirn, ohne kritisches Bewusstsein – ohne normalen, den »gesunden« Menschenverstand; die sich wegen des Fressens, oder was sie damit meinen, auf die Straße kleben und sich als »letzte Generation« bezeichnen.
Da waren die 68er Studenten, trotz der nicht zu leugnenden und nicht mehr zu beseitigenden Verfehlungen und Irrwege, zumindest intellektuell ein anderes Kaliber.
Was sich auch durch deren Renegaten beweist.
Ich habe mich nie als »richtiger 68er« gefühlt. Nicht weil ich persönliche »Stigmata« letztendlich vermeiden wollte. Trotz meiner jugendlicher Aufmüpfigkeit – die eigentlich jeden jungen Mann auszeichnen sollte. Ich bin qua Geburt in diese Zeit gestellt worden. Mehr oder weniger. Und darum ein Kind dieser Zeit und der daraus entstandenen Entwicklung. Trotzdem wichtig, weil es die Zeit eines Aufbruchs war.
Ich bewerte mich nicht als einen, »der sich lieber gemütlich in seinem Fernsehsessel bis zum Tod einfurzen will“ – nur noch – wie eine frustrierte und in der eigenen Situation sich verbittert gebende Blog-Betreiberin schrieb.
Das bin ich mir – und wegen meiner Vergangenheit – schuldig.
Es war bei uns in der DDR ganz anders. Mein Vater sah als junger Mann in der DDR eine Alternative zur BrD und zum 3. Reich. Die Reichen waren enteignet, als es der Mittelschicht an den Kragen ging, begrüßte er das. Er wechselte vom Privatbetrieb in einen VEB und von der Wohnung eines Vermieters in einen Neubau. Er kam beruflich voran, wir waren privilegiert.Ich wuchs mit dem Sozialismus auf, mit Maiparaden und Staatsbürgerkunde. Was mich störte, waren die politischen Phrasen ohne Inhalt. Die hatten ihre eigene Sprache, das Neue Deutschland nach Parteitagen ersetzte ich durch die Junge Welt, verstand aber trotzdem kein Wort. Mich störte damals die Politisierung des Alltags wie heute auch. Mir nahm die DDR meine unpolitische Haltung zeitlebens übel, denn trotz sehr guter Schulleistungen bekam ich nie eine Funktion in den Kinder- und Jugendorganisationen, höchstens mal Schriftführer, zum Studium bekam ich trotz 1ser Zeugnis keinen gewünschten Platz. Nach Eingreifen meines Vaters beim Direktor organisierte der mir meinen Platz. Als Lehrerin für Deutsch holte mich die Ideologie ein. Mich störten
1. Überall in den Lesestoffen Judenverfolgung
2. ebenso Heroisierung der UdSSR
3. der Dauerarrest als Geisel der DDR
4. Mangel und Einfallslosigkeit in Technik und Mode
5. Defizite im Kulturleben—häßliche Musik, Malerei und Architektur
Wegen 1 und 2 verließ ich auf eigenen Wunsch die Volksbildung 1987 und im Oktober 1989 die DDR. Ich wollte ein eigenes Haus und Auslandsreisen, ich wollte freien Unterricht für meine Schüler. Ersteres konnte ich mir leisten, letzteres wird mir bis heute verweigert. Die allbekannte kranke Ideologie hat die bRD-Schulen bis heute fest im Griff. Sie quillt ungefragt in mein Wohnzimmer, sie springt mir in Form von Vogelhäckslern, Solardächern und kulturfremden Visagen aller Art auf Spaziergängen in die Augen, auch die Radfahrer auf Gehwegen, die Leuchtjacken und Masken.
Diese Zeit ist auch nicht meine. Ob ich noch eine „normale“ erleben werde? Normal ist diese Politik samt verantwortlichem Personal garantiert nicht.
Ich habe mir die Reden von Rudi Dutschke angehört, das Gebilde BRD heute konnte er nicht wollen, dazu war er zu intelligent.
Sehr verehrte Frau Wolnow,
wir sind unterschiedlich „sozialisiert“ worden, haben aber wohl die gleiche Sicht auf die Welt derzeit.
Ich bin wegen – oder trotz – Adenauer und dem, was alles noch schlecht sein sollte in den Augen der damaligen Revoluzzer, in einer freien Welt aufgewachsen. In der man Manches nachsah, aber auch kritisieren konnte – nicht erst 68.
Ich war 1967 und 68 mehrfach in Prag, hatte mir da ein Mädchen aus Chemnitz „angelacht“, schloß Freundschaften mit tschechischen Studenten, lernte einen Freiheitswillen und Aufbruchstimmung dahingehend kennen, wie nie mehr vorher und nachher. Dann der 13. August 1968! Gisela aus „Karl-Marx-Stadt“ hatte mir schon vorher signalisiert, dass sie „wg. Westkontskat“ Schwierigkeiten bekommen hat. Einige tschechische Freunde hatten noch die Absetzung in den Westen geschafft, andere konnte ich in den folgenden Jahren noch irgendwie unterstützen.
Ich werde – bei aller kritischer Bereitschaft – nie „den Westen“ in Grund und Boden verdammen und für „charismatische“ und despotische Gestalten, wie derzeit Putin, Sympathien entwickeln. Und nicht für die Russen und deren „asiatisches“ System.
Sie haben am eigenen Leib erlebt, was Verlust von Freiheit bedeutet. Ich bis dato nicht – außer im Blick auf das, was wir hier in den letzten Jahren erleben mussten.
Insofern auch meine Reflexion auf 68 …
Lieber Herr Ebenhöh, bei den Debatten um die Schwächen des Jetzt und Heute vergessen wir den rosa Elefanten im Raum. Der denkt sich all die Ablenkungsmanöver aus, mit denen wir uns beschäftigen. Wenn ich so nachdenke, wer alles eines mysteriösen Todes sterben mußte, angefangen von Abraham Lincoln über John Kennedy bis Jörg Haider, gegen wen gehetzt wurde und wird, dann sehe ich das rosa Tier ganz deutlich. Damit man es nicht sieht, werden die Affentänze doch aufgeführt. Es hat im Ost/West Konflikt deshalb gesiegt, weil man den Osten damit gekauft hat. Wieder auf Samtpfötchen, angefangen mit Westpaketen an den Osten, damit die mal schnuppern und dann mit Krediten die Staatsführung. Darum mußte der Osten uns einsperren. Bei uns gab es keine Überschuldung der Privathaushalte, aber eben auch wenig bis kein Eigentum. Diese Gleichmacherei hat mich verärgert, weil man uns das gar nicht erklärt hat. Wenn man uns offen erzählt hätte, was in der BRD alles in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie abläuft, dann hätte ich nie die Seiten gewechselt. Der Mensch als Ware, wie wir uns heute sehen müssen.
Die Finanzindustrie ist an nichts gebunden, weder an Regierungen noch an sonstwen. Sie herrscht so, daß man sie nicht sieht. Und lenkt mit Kinkerlitzchen ab. Wenn dieser unsichtbare Herrscher sich wirklich Sorgen ums Klima machen würde, würde er sofort den weltweiten Handel einstellen und diesen regional beschränken, wie es normal wäre und einmal war. Damit er unsichtbar im Hintergrund bleibt, hat er geschwiegen und 40 Jahre ausgeharrt. Es hat sich gelohnt, nun steht er wieder da. Putin hat ihn gesehen und kämpft dagegen, Trump sah ihn auch und sprach darüber, aber er wurde zum Schweigen gebracht. Solange die Generalität weltweit käuflich ist, steht sie dahinter und putscht nicht. Entmachten kann man den Moloch nur noch mit Waffen. Er hat sich vernetzt und in die Medien gekauft.
Der Moloch braucht zeitlich immer einen Neuanfang, das sagen unermüdlich die Finanzexperten. Darum werden Konflikte künstlich geschürt. 1989 war die letzte Chance, nun sind sie wieder am Ende. Sie wollen das bargeldlose Geldsystem, damit sie alles in ihren Dreckpfoten und unter Kontrolle halten. Sie entwerfen mediale Horrorszenarien, denn sie leben von unserer Angst. Ich habe keine und lebe gegen sie, d.h. ich unterstütze sie nicht mit meinem Handeln. Das ist alles, was wir machen können. Bei Rubikon war neulich ein Artikel über sie „Die Zuhälter des Krieges“, offen angesprochen werden diese Kräfte auch nicht, zu gefährlich.
https://www.rubikon.news/artikel/die-zuhalter-des-krieges
Ist kein Beitrag zum Thema aber dieser YouTubeKanal ist es wert verbreitet zu werden.
https://www.youtube.com/watch?v=Ys5wtgukIj0&t=1028s
Lieber Gerd, Danke für den Hinweis!