„Proskynesis“
„Protest durch Demut: Hunderttausende Menschen in den USA knien für George Floyd, der durch Polizeigewalt starb. #Takeaknee ist der Hashtag zur Geste der Kniebeuge geworden und hat so viel Symbolkraft wie die geballte Faust.“
Das kann man aktuell auf der Seite des BR lesen
Wir erinnern uns: Als am Abend des 17. Oktober 1968 in Mexiko City bei der olympischen Siegerehrung für das 200-m-Rennen die US-Fahne gehisst und die Hymne gespielt wird, strecken die beiden siegreichen Amerikaner ihre in einen schwarzen Handschuh gehüllte Faust in den dunklen Himmel – das Symbol der „Black Power”.
2016 kniete während es Abspielens der US-Nationalhymne der schwarze Footballspieler Colin Kaepernick aus Protest gegen die Tötung eines Schwarzen durch die Polizei nieder.
Jetzt sind es wohl „Hunderttausende“, welche die „Protestgeste“ des Niederkniens übernommen haben – Schwarze wie Weiße – um der Tötung eines Schwarzen zu gedenken.
Der Tötung eines Kriminellen!
Das muss man auch sagen, auch wenn sein Tod damit in keiner Weise zu rechtfertigen ist.
Sie – Candace Owens – auch eine schwarze US-amerikanische „Aktivistin“ würde sich aber nicht niederknien und sich solcher heuchlerischen Gesten der weißen wie der schwarzen Gutmenschen-Community anschließen. Sie liefert dafür handfeste Gründe.
Da knien jetzt Leute sich in der Öffentlichkeit nieder, welche noch vor geraumer Zeit diese Geste, dieses durchaus christliche Symbol von Demut und Unterwerfung verächtlich beschaut und beredet hätten. Und auf einmal greift man auf diese Symbolik zurück.
Ich kann das bei diesen, in der Mehrzahl profan und hedonistisch im Zeitgeist geprägten Menschen, nur als im wahrsten Sinne scheinheilig, und bei den Vorreitern nur als blasphemisch empfinden.
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Ich habe mich vor Jahren schon mal auf altmod mit der Gebärde der Proskynesis befasst. Der Beitrag war nach einem Hackerangriff im „Cyberspace“ verschollen. Ich habe ihn in Anbetracht der aktuellen Anlässe rekonstruiert und möchte ihn hier auch wieder zur Diskussion stellen.
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Proskynesis
November 2011
„Dass der moderne Mensch sich nicht mehr bekreuzigt,
nicht mehr niederkniet, nicht mehr betet,
wird allgemein als der Aufklärung zu dankender Fortschritt betrachtet.
Ästhetisch ist es ein Verlust.“
Michael Klonovsky
Knie ich nieder, weil ich katholisch bin oder bin ich katholisch, weil ich auch knie?
Nicht nur ästhetisch ist es ein Verlust, dass der moderne Mensch sich nicht mehr niederkniet.
Ich zähle zu den Altmodischen, zu den Traditionalisten, zu dieser schwindenden Minderheit, die wenigstens gelegentlich sonntags noch den Kniefall übt.
Wohl wie auch Martin Mosebach, für den dies ein Essential ist, wie er in seinem Buch „Die Häresie der Formlosigkeit“ ausführt.
Ich gestehe, dass ich bei all meiner sonst gegebenen Selbstsicherheit beim Kniefall in der Kirche vor den Augen fremder oder auch naher Gemeindemitglieder mich immer noch gelegentlich mit widerstreitenden Gefühlsregungen konfrontiert sehe. Martin Mosebach läßt eine „freundliche Protestantin“ den Satz sprechen:
„Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde es immer peinlich, wenn ich einen erwachsenen Mann auf Knien sehe.“
Findet sie Demuts-, Ergriffenheits- oder Unterwerfungsgesten generell peinlich? Oder nur beim Mann?
Martin Mosebach geht es in seinem Buch um die Liturgie, den Kult oder Ritus. In seiner Apologetik für die vorkonziliare, die „alte Messe“ bezieht er mehr ein: sein Unbehagen an Entwicklungen der Moderne mit dem Verlust für Ästhetik und Formen, dem Fehlen sinnlicher und physischer Ausdrucksmöglichkeiten für die Grundtatsachen der Existenz und für die Beziehung zu den „ewigen Mächten“.
Bleiben wir beim „Kult“.
Mosebach:
„Wann kniet man in der Heiligen Messe? ……die Kniebeuge und das Knien bezeichnen und begleiten die Augenblicke der göttlichen Epiphanie innerhalb der Liturgie. Beim Eintreten in den heiligen Raum, beim Betreten der Kirche, kniet der Gläubige nieder wie Moses, der aus dem Dornbusch heraus die Stimme vernimmt, die ihn mahnt, die Schuhe auszuziehen, weil er sich auf heiligem Boden befinde. Wenn im Credo und im Schlußevangelium, dem Prolog des Johannes-Evangeliums, der Inkarnation gedacht wird, dieser Sichtbarwerdung Gottes, werden diese Worte auf Knien gesprochen. Nach dem Aussprechen der Wandlungsworte verehrt der Priester mit einem Kniefall die heiligen Opfergaben und die Gemeinde folgt ihm. Die Ausstellung des Opferleibs vor der Kommunion geschieht vor der knienden Gemeinde, die Kommunion wird auf Knien empfangen. Der priesterliche Segen schließlich wird zum Ausdruck dafür, daß er himmlischer Segen ist, der »von oben« kommt, auf Knien ent-ge gengenommen.
Das sind die Ereignisse der Liturgie, die mit dem Knien verbunden sind – alle beziehen sich auf die besonderen Augenblicke göttlicher Gegenwart…..“„Ein Mann auf Knien, weil er glaubt, dass sein Schöpfer in einer kleinen weißen Oblate steckt. Das ist, wir müssen Gott dafür danken, an manchen Orten immer noch ein Skandal…“
„Wir glauben mit den Knien oder wir glauben überhaupt nicht.“
Auch dieser Erfahrung von Mosebach kann ich beipflichten:
„In meiner Jugend kamen bei Familienfesten Katholiken und Protestanten zusammen, wie das in den meisten deutschen Familien der Fall sein wird. Wenn dann die Messe gelesen wurde und die katholischen Tanten bei der Wandlung knieten, standen die evangelischen Onkel – das enthielt für mich folgende Botschaft: »Wir respektieren eure Andacht, haben aber mit der Sache selbst nichts zu tun.« Das Stehen war zu etwas dezidiert weniger Feierlichem, Andächtigem geworden, es hatte jetzt etwas Ziviles, eine Haltung aus dem Bereich der »guten Manieren«, deren Unbequemlichkeit schmerzlich empfunden wird – und so folgte denn auch vielerorts, wo der mündige Christ weiß, daß »gute Manieren« keine religiöse Kategorie sind, anstelle des peinigenden Stehens das behaglichere Sitzen….“
Von den Verteidigern des neuen Ritus wird eingeworfen, dass das Stehen die Gebetshaltung der frühesten Christenheit gewesen sei, das Knien in der Liturgie nun mithin entbehrlich. Der Protestant kniete ohnehin nicht, mit den Bildern wurde auch der Kult entfernt.
Zum „Stehen“ – ein kulturkritischer Schlenker:
„Die formloseste Weise, sich festlich zu versammeln – aber von Festlichkeit kann da eigentlich nicht mehr gesprochen werden – ist der Stehempfang, der von fern betrachtet wie eine Gruppe aussieht, die schon lange auf den Omnibus wartet, daß man ins Gespräch gekommen ist.“
Der Kniefall ist eines der ältesten Symbole der Menschheit als Gebärde der Unterwerfung, der Anerkennung von Macht – und der Demut. Im Altertum Unterwerfung unter die weltliche Macht, nach Konstantin d. Gr. die Unterwerfung der weltlichen unter die göttliche.
Wenn man im Internet nach „Kniefall“ „googelt“, meint man, es gäbe nur eine Form, ein Ereignis dieser Art in der jüngeren Geschichte: den Kniefall von Willy Brandt 1970 in Warschau. Diese Proskynesis ist in unserem „kulturellen Gedächtnis“ anscheinend besonders lebendig.
Der Kniefall und damit auch der Mann wurden zu einer Ikone des 20. Jahrhunderts.
Was hat diesen Mann dort und gleich auf die Knie gezwungen?“
Die Überwältignung des Augenblicks? Die Eingebung von etwas Erhabenem?
Man kann sich der Frage der Bedeutung des Kniefalls wissenschaftlich-soziologisch, kulturhistorisch, hermeneutisch und wie sonst noch nähern. Man kann auch die „Pathosformel“ (Aby Warhol) bemühen.
Ein Blogger stellte dazu fest:
„Lassen wir einmal die, stets hohlen Gesten von Politikern beiseite, und fragen politisch und genderunkonform danach, welche Ereignisse einen Mann dazu bringen könnten, seine Knie zu beugen und in dieser Haltung zu verharren. Gewiss kann das der Tod eines geliebten Menschen sein. Der Schmerz um ein zu früh verstorbenes Kind oder ein anderer persönlicher Schicksalsschlag kann einen Mann zu Boden zwingen. Wenn sich jedoch der Repräsentant einer Nation auf fremden Staatsgebiet zu solch einer Aktion hinreißen lässt, dann hat das zweifelsohne Konsequenzen für die nachfolgenden Generationen.“
Michael Wolffsohn meint:
„(So) schuf Brandts Kniefall ein anderes, prägendes Bild: das Bild vom wirklich neuen, besseren, menschlichen Deutschland, nicht mehr polternd, gar mordend, sondern demütig.“
Bei allen Vorbehalten gegenüber Willy Brandt, halte ich seinen Kniefall dort und damals nicht für eine billige, geplante Pathosformel. Wenngleich bekannt ist, dass ihm vor dem Besuch in Polen ein Berater schon zu einer besonderen „Geste“ geraten hatte.
Überwertig und degoutant sind aber auch Affirmationen wie „Christus des Kalten Krieges“ in diesem Zusammenhang.
Wir leben heute mehr als damals in einer Zeit der großen Posen in den Medien, in einer Zeit der Selbstfeierung und -beweihräucherung, der pornographischen Zurschaustellung persönlicher Emotionen. Der Lichterketten-Beteuerungen, medial aufgejazzter „Massentrauer“ und Schuldrituale mit und über Gestalten des öffentlichen Lebens.
Was fehlt, ist ungelogen gezeigte und gelebte Demut. Weil das so ist, werden die Gesten überflüssig oder erregen Anstoß.
Demut, die man von einem Wissenschaftler – Physiker oder Gehirnforscher – gegenüber dem Nicht- Erklärbaren erwarten sollte.
Des Managers und Wirtschaftsführers hinsichtlich der Erkenntnis, dass er ohne seine Mitarbeiter ein Nichts ist.
Des Politikers, dass seine Macht nur geliehen ist und er nicht über den Bürgern steht.
Der Verkäuferin oder Krankenschwester, zu erkennen, dass sie ohne Kunden oder Patienten eigentlich überflüssig ist.
Des Priesters, sich gewahr zu werden, dass er sich Gott und nicht der Welt verpflichtet hat.
Eines der eindrucksvollsten Zeichen, eine der stärksten Demutsgesten ist sicher, wenn bei der Priesterweihe der künftige katholische Priester kurz vor der eigentlichen Weihe ausgestreckt, niedergeworfen vor Gott auf der Erde liegt.
Was für eine Geste!
Eine katholische Geste!
Und mehr noch als der Kniefall „überholt“ und „anstößig“.
Wer bringt es heute noch fertig, sich in seiner Demut ehrlich so zu zeigen? Ausgestreckt auf der Erde liegend – nicht vor den Menschen, sondern vor Gott.
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Ist das, was heute im Zusammenhang mit George Floyd gezeigt wird überhaupt eine Geste von Demut, ein Symbol des Dienens?
Ist es nicht ein weiteres falsches und liebedienerisch okkupiertes Bildzeichen einer im Grunde Werte-, Bindungs- und Kulturlos gewordenen Gesellschaft!
Wobei ich auch diese Geste während der Priesterweihe als etwas betrachte, das man halt noch tut. Ob eine große Zahl der heutigen Priester sich vor Gott in Demut unterwerfen, bezweifle ich. Zu weltlich ist die heutige kath. Kirche geworden, der Gegenpart sowieso.
Ich knie nicht. Ich erkenne Gott an, ich glaube an Gott (ob es der katholische ist, sei dahingestellt) aber ob Gott will, dass ich mich unterwerfe, bezweifle ich.
Mein Herr, mein Führer, mein Gebieter etc. da tue ich mich hart, das widerstrebt mir.
Das scheinheilige Getue des Niederkniens das von Gutmenschen, linken Systemkritikern etc. praktiziert wird, ist für mich keines Wortes würdig. Dafür habe ich nur Verachtung übrig, wer sich auf diese Weise erniedrigt soll es ruhig tun. Sie sind halt Knechte, Knechte einer Ideologie, Knechte eines Weltbildes. Das Niederknien würde noch mehr wirken, läge man ein Holzscheit oder Reiskörner unter die nackten Knie, eine Handvoll Sand täte es auch schon.