Die Absichten der neuen „Religion“
Ich nehme das für mich Wesentliche vorweg, welches mir bei der Beschäftigung mit dieser neuen „Religionsgemeinschaft“ – schlecht kaschiert – ins Auge gesprungen ist. M.E. geht es letztendlich um formalrechtliche Finten unter der im Grunde genommen schäbigen Überschrift „Religion“.
Man macht die drohende „Impfpflicht“ – nicht nur gegen „Corona“ – als eine Bedrohung der Freiheit, der „körperlichen Unversehrtheit“ aus, der man nicht mehr mit bisher vorherrschenden rechtsstaatlichen Verfahren, wohl einschließlich der Berufung auf andere Menschenrechtskonventionen, begegnen könne. Der von „Sanus Religio“ versprochene Ausweg soll über den Rekurs auf „Religionsfreiheit“ gehen, mit dem man diese Defizite aushebeln könne.
Oder geht es doch um „Höheres“, gar „Metaphysisches“?
Oder ist es nur eine neue „Geschäftsidee“ zum Abschöpfen von Spenden, zum Schröpfen von „Gläubigen“, zum Scheren von Schafen?
Der Auftritt im Internet
Ich empfehle unbedingt, sich selbst den Medien- (Internet-) Auftritt anzusehen und ein eigenes Bild zu machen.
Gleich auf der Startseite, vor dem Hintergrund einer anscheinend knienden, mit betend erhobenen Händen dargestellten Frauengestalt, wird die Kern-Botschaft verkündet:
Gelassenheit
Innerer Frieden
Und ein guter Glaube
Stärken des Immunsystems
Experimentelle Impfstoffe tun dies nicht
Es geht also um das Impfen.
Alle „Leitsätze“ sind mit gefälligen Bildchen hinterlegt, die gewiss auch „Spirituelles“ vermitteln sollen, durchaus passend für eine Werbeschrift einer Ayurveda-Klinik oder wie es gerne Therapeuten und Heiler in ihrem Internet-Auftritt vermitteln wollen.
Tandaradei …
Das Kapitel „Über uns“ – “Im „Glauben gesund“, beinhaltet das „Glaubensbekenntnis“ in dem es unter anderem heißt:
„… Die körperliche Unversehrtheit ist für uns das höchste Gut, denn nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.“
Dann gibt es ein Kapitel „Predigten“, die aber fast ausschließlich allein für Mitglieder zugänglich sind. Die sichtbare Hauptpredigt lautet aber, unter Zitierung von Hesekiel 34, 11.12:
„Denn so spricht Gott der Herr: Siehe, ich will selbst nach meinen Schafen suchen und mich ihrer annehmen. Wie ein Hirte seine Herde zusammen sucht, an dem Tag, da er mitten unter seinen zerstreuten Schafen ist, so will ich mich meiner Schafe annehmen und sie aus allen Orten erretten, wohin sie zerstreut wurden an dem Tag des Gewölks und des Wolkendunkels.“
Weiter das Kapitel „Aufklärung“, in dem es um „Impfung“, „Impfpflicht“, „Pandemie Politik“ „medizinischen Kindesmissbrauch“, „Masken“ etc. geht.
„Beitrittsinfo“, Aufruf zu „Spenden“ und „Login“ ergänzen das Tableau.
Meine Kritik
„Sanus Religio“ greift nolens volens die missionarische Vehemenz des „Megatrends Gesundheit“ als Vehikel auf, um über den Weg der Religion, für sich oder für die unter dem Hirtentum dieser neuen Religion stehenden Schafe, juristische, verfassungsrechtliche Sicherheit verschaffen zu können. Man bemüht sich denn, das Ganze außerdem unter das Signum von „Freiheit“ zu stellen.
Krankheit oder Gesundheit „macht“ man selbst?
Krankheit, nicht Gesundheit ist das sich selbst Objektivierende, d.h. sich Entgegenwerfende, kurz, das Aufdringliche im Leben. Bei Krankheiten spricht man denn in der Medizin auch vom „Fall“ – hermeneutisch – was im Würfelspiel des Lebens einem zufällt. Krankheit ist ein „Zufall“. So Hans-Georg Gadamer in „Die Verborgenheit der Gesundheit“ (Bibliothek Suhrkamp 1993).
Es gibt ein natürliches Maß – unabhängig von dem „Messungen“ der Medizin – das die Dinge in sich selbst haben. Es ist eine Binsenweisheit, dass man Gesundheit in Wahrheit nicht messen kann, weil sie ein Zustand der inneren Angemessenheit und der Übereinstimmung mit sich selbst ist, die man nicht durch eine andere Kontrolle überbieten kann.
Da kommt nun „Sanus Religio“ daher und propagiert, man könne diesem Zufall ausweichen oder entkommen durch „gesunde“ Ernährung oder Lebensweise; was immer das auch ist oder wie es „Mediziner“ und „Gesundheitsapostel“, die es in diesen „aufgeklärten“ Zeiten zuhauf gibt, es definieren. Und durch Glauben, denn man soll doch auch noch beten, dass ein gesunder Geist zu uns komme.
Man unterschlägt auch, wie Günter Zehm es ausdrückt: „Der Preis unseres Lebens ist der Tod. Wir müssen unentwegt töten, um am Leben zu bleiben. Am Ende sind wir es selber, die vom Schicksal irgendwie getötet werden, damit das Leben als Generationswechsel in der Waage bleibt …“.
Nach einer Prämisse in dem „Glaubenbekenntnis“ dieser „Religion“ ist sie für etliche sowieso nicht geeignet, heißt es doch dort „ … denn nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist!“.
Einen „gesunden Körper“ kann ich mir leider nicht mehr attestieren, mit meinem Geist bin ich aber durchaus noch im Reinen. Darf ich mal konstatieren.
„Prophetinnen“
Nicht umsonst zeichnen sich bei „Sanus Religio“ zuvorderst Frauen* als Leitfiguren oder „Glaubenverwalterinnen“ aus. Sind es doch auch eher Frauen, die zur Selbst- oder Höher-Verwirklichung und zur „Selbstheilung“ sich gerne in „Chakren“ oder „Tantren“ versenken.
Oder ist das nur wieder eine abgewetzte, vorgefasste Meinung von mir altem weißen Mann?
Als ich die o.e. „Predigt“ mit Bezug zu dem Propheten Hesekiel las, da kam mir doch gleich eine andere Stelle von Hesekiel in den Sinn: 13, 17.18 „Gegen die falschen Propheten“. Ausdrücklich verwendet dort Hesekiel die weibliche Anrede:
„Und du, Menschenkind, richte dein Angesicht gegen die Töchter deines Volks, die aus eigenem Antrieb als Prophetinnen auftreten, und weissage gegen sie und sprich: So spricht Gott der HERR: Weh euch, die ihr Binden näht für alle Handgelenke und Mützen für Köpfe jeder Größe, um Seelen damit zu fangen!“
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* die vormalige Jouwatch-Herausgeberin Marilla Slominski als Tempelwächterin, die Kunsttherapeutin und Journalistin Renate Sandvoß u.a. als Schriftgelehrte.