„Architektonische Bußübungen„
Seit etwas mehr als dreißig Jahren lebe ich nun im Dunstkreis von Frankfurt. Aus beruflichen Gründen aus der fränkischen Provinz exiliert in den Randbereich dessen, was man die Rhein-Main-Region nennt – wirtschaftsstarker, eindrucksvoller Kosmos deutschen Schafffens- und Handelsgeistes. Die naheliegende Kreisstadt Gelnhausen – die sich stolz „Barbarossa-Stadt nennt – hat für mich noch einen gewissen Charme; innerhalb der Restbestände der alten Stadtmauer, läßt es den Franken in bescheidenem Umfang sich redlich provinziell etwas heimisch fühlen. Wohingegen ich „Frank“-furt, das sich auch „Mainhattan“ schimpfen darf, bei jedem Besuch – der erste datiert bereits aus dem Jahr 1966 – von Mal zu Mal abstoßender empfand.
Ich würde am liebsten an dieser Stelle meine Lobeshymne auf „mein Franken“ anstimmen, damit man meine Gestimmtheit verstehen kann und will denn für den Interessierten darauf hinweisen: https://altmod.de/mein-franken/
Ich hatte zuzeiten mehrmals im Monat in Frankfurt zu schaffen, jetzt weniger häufig. Die Fahrten mit dem Auto durch die Main-Metropole – aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln – empfand ich als Nemesis für mich, als Vergeltung für die dort gelegentlich gut dotierten Auftragstätigkeiten. Der Versuch, eine autofreundliche Stadt zu schaffen – eine früher durchaus sozialdemokratische Manie – scheint mir gründlich fehlgeschlagen. Ich hatte nie Probleme, mich mit dem Auto in noch eben unbekannten Großstadtrevieren, sei es Berlin, München, Köln usw., zurechtzufinden; mein Ziel, ohne mich zu verfahren, zu erreichen. In Frankfurt scheiterte und scheitere ich noch heute. Resultiert dies aus einer bewussten oder unbewussten Geringschätzung dieser Stadt?
Frankfurt war eine der im Krieg am weitreichendsten zerstörten Großstädte Deutschlands. Auch „meine“ fränkischen Metropolen Nürnberg und Würzburg waren durch den Bombensturm in vergleichbarer, wenn nicht gar schlimmerer Weise in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Wiederaufbau der Innenstädte dort ließ denn aber doch noch etwas von der früheren Ausstrahlung und Schönheit dieser berühmten Städte wenn nicht völlig wiedererstehen, so doch in einer gewissen ahnens- und staunenswerten Fasson das Alte neu aufleben.
Nicht so der Eindruck bei der vormaligen Wahl- und Krönungsstadt der Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“, der Stadt Goethes, des Tagungsortes der ersten deutschen Nationalversammlung, der bedeutendsten deutschen Messestadt – auch Stadt der Rothschilds. Schon in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts wollte man in der aufblühenden Großstadt Frankfurt progressive architektonische Marken setzen, die denn auch teilweise verwirklicht wurden. Die erste große kollektive Versündigung Frankfurts an sich selbst begann dann aber unter den Nazis mit der Austreibung der Juden; bis dahin die solventeste und begabteste, den Bürgergeist der Stadt am meisten prägende Bevölkerungsgruppe der Stadt.
Nach dem Krieg wütete ein modernistischer Wiederaufbau-Furor sozialdemokratischer Prägung, der Frankfurt solche architektonischen Scheußlichkeiten wie das „Technische Rathaus“ oder die “Neue Oper“, die architektonisch verunstaltete „Zeil“ und Plätze wie u.a. die „Konstablerwache“ u.dgl. bescherte. Auch das Schlagen von grausamen (Verkehrs-) Schneisen – um dem Fortschritt gerecht zu werden – in den Körper dieser einstmals meisterhaft gotisch und barock entstandenen Stadt, ist dafür exemplarisch.
Ich stehe nicht allein mit der Meinung, dass dort, wo Sozialdemokraten nach dem Krieg die Macht und das Sagen hatten, auf den Trümmern ihrer, unserer zerstörten Städte, eine neue Art von Trümmerlandschaften errichtet wurde, mit dieser scheußlichen „Sparkassen- und Kaufhof-Architektur“, welche denn die Reste noch erhaltener, geschichtlicher Urbanität in vielen deutschen Städten verunstalteten. Nicht umsonst hatte einer der damaligen Oberbürgermeister von Frankfurt für sein Wirken den Spitznamen Dynamit- oder Beton-Rudi erhalten. Fast in jeder westdeutschen Großstadt unter sozialdemokratischer Fuchtel sind heute noch deren Versündigungen zu sehen und auszuhalten. Man lästerte späterhin über die Plattenbauten der DDR-Städte und vollbrachte doch Gleichartiges im Westen: die scheußlichen Termitenbauten a la Gropiusstadt in Berlin, die „Banlieus“ von München wie Neuperlach, Hasenbergl und viele andere.
Natürlich, man musste Wohnraum schaffen für die Ausgebombten und die hinzuströmenden Flüchtlinge und Heimatvertriebenen aus dem Osten. Mit der neuen Architektur – im Bauhausstil und in Anlehnung an Le Corbusier – wollte man vordergründig und durchaus auch berechtigt zweckmäßig handeln – aber gleichzeitig ideologische Marken setzen: gegen das „Bürgerliche“ im Wirtschaften, der Kultur und allen Lebensbereichen.
Der Impulsgebung für meine Betrachtung kam durch einen Aufsatz des von mir sehr geschätzten Autors und Journalisten Marco Galina auf seinem „Löwenblog“. Es lohnt, sich seinen „Frankfurter Rundgang“ ganz zu lesen und ich erlaube mir, als Kostprobe die Schlußabsätze seines Textes hier abzudrucken:
„ … Mein Rundgang gegen Frankfurt soll keine Tirade, keine Ächtung sein. Ich habe tiefstes Mitleid mit diesem Ort. Eine leise Trauer schwingt bei allem mit. Aber oft kommt der Gedanke auf, dass es viele so haben wollten; da ist immer noch dieses Hochtrabende, besser Könnende, was auch im Deutschen Wesen verankert ist. Das technische Rathaus war davon genauso eine Ausgeburt wie die autofreundliche Stadt (Vierspurige Straße! Mitten! Durchs! Zentrum!). Die Anmaßung der Intelligenzija wird auch an Kleinigkeiten deutlich. Die Antiquitätenpreise sind ebenso abgehoben wie ihre Anbieter – für einen handtellergroßen Stich, den ich woanders für 25 Euro erwerben könnte, verlangen die Frankfurter das Zehnfache. Frankfurt hängt oft der Unterton intellektueller Überheblichkeit heraus, wenn man sieht, was dort alles als „Kunst“ gilt. Strichzeichnungen für hunderte und tausende Euro.
Die Frankfurter Schule, das Übel, das aus der Wiege dieser Stadt gekrochen kam, und sich von hier aufmachte, um die deutsche Identität auszulöschen, hat in seiner Geburtsstadt die schlimmsten Spuren hinterlassen. Deutschland verrecke an allen Straßenlaternen. Refugees Welcome-Aufrufe an allen Hausecken. Die Weltfremdheit, die ich vom Bonner Rhein aus sehe, wird hier immanent. Frankfurt, das ist das „Deutschland“, das man im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen sieht.
Und nach drei Stunden Spaziergang glaube ich, das große Trauma diagnostizieren zu können: Frankfurt hat unter dem Krieg womöglich stärker gelitten, als manch andere Stadt, weil die Juden, welche diesen Ort mit Vermögen und Bildung bereicherten, zuerst verschwanden, bevor der Feuersturm alles vernichtete, was Frankfurt so verehrungswürdig machte.
Das Trauma dieses doppelten Verlustes resultierte in der Verneinung des Deutschen per se: hier wird die Geburt des Selbsthasses spürbarer als andernorts. Der Beginn eines traurigen, deutschen Sonderweges, der sich geistig, architektonisch und politisch niederschlägt. Und die Früchte dieser Gedankenschule sind nirgendwo greifbarer als hier.
Frankfurt hatte, als ich es besuchte, keinen eigenen Geruch. Selbst der Fäkalgestank Berlins hat dagegen Charakter.
Ein merkwürdiges Erlebnis.“
Zu dem Satz „Die Frankfurter Schule, das Übel, das aus der Wiege dieser Stadt gekrochen kam, und sich von hier aufmachte, um die deutsche Identität auszulöschen,“ braucht man nicht viel mehr vorbringen.
Das scheußliche Technische Rathaus ist – wem immer sei Dank – endlich der Spitzhacke zum Opfer gefallen. An seiner Stelle und schon darüber hinaus waren und sind mehrere historische Gebäude und sogenannte »schöpferischen Nachbauten« auf dem alten Grundriß der Frankfurter Altstadt wiederentstanden.
Aber Frankfurt wäre nicht die Stadt ihrer „Schule“, wäre da nicht Widerstand schon im Vorfeld aufgekommen. Besonders in den lokalen Medien und politischen Kreisen wurden die von privaten Initiatoren angestoßenen und schließlich verwirklichten Rekonstruktionsvorhaben als „verdeckte rechtsextremistische Operationen und als Projekte revisionistischer Geschichtsschreibung“ verleumdet. Die Loslösung von einer „modernistischen Einparteienherrschaft wird als potentiell faschistisch und demokratiefeindlich gebrandmarkt“ – schreibt Leon Krier in einem Beitrag auf CATO.
Das, was ich im Zusammenhang mit Frankfurt beklagt habe, entspricht deutschen „kollektiven architektonischen Bußübungen“, welche die architektonische Gestaltung unserer Metropolen beherrschte und beherrscht, und „ist eine Katastrophe nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt“ – wie Leon Krier treffend schreibt.
So ist es, nach wie vor. Leider nicht nur in den Großstädten, sondern auch in der sog. Provinz. Ich kenne kein anderes Land, nicht einmal die USA, das dermaßen davon besessen ist, seine Heimat zu zerstören wie Deutschland. Diese Haltung und die entsprechende Handlung erlebe ich gerade in meiner eigenen Familie.
Die gesichtslose schreckliche Architektur wird in der genzen Welt zelebriert. Keine Stadt hat noch ihr eigenes Gesicht, überall verschandeln Beton- und Glasbauten die Landschaft. Was hat Dubai noch von Arabien, was Peking mit China gemein? Selbst in Moskau und St. Petersburg zerstören solche „Bauten“ das Stadtbild. Was für ein gott- und geschmacksloser Wahn hat die Menschheit befallen? Modern sind heute Eisen im Gesicht und Farbe auf der Haut, Löcher in der Hose und Haare im Gesicht (Männer) und das global vereinheitlicht überall. Und so gibt es keine Fluchtmöglichkeit in ein Idyll, höchstens noch aufs Land. Aber das ist Nahtsie.
Gestern schrieb mir ein Bekannter aus Frankreich, daß seit 1945 nichts Schönes mehr entstanden ist. Die Sieger sind offensichtlich keine Ästheten, sondern Trickser, Fälscher und Lügner.
Schön, dass Sie den Gedanken als jemand, der die Gegend weitaus besser kennt, fortgeführt haben.
Ich schätze Ihre niveauvollen Beiträge sehr und sie bereiten mir immer Genuß und Anregung, sei es beim Lesen in der Tagespost oder auf Ihrem Blog. Danke!