Wendehälse oder Lügenmäuler

„ … Doch sagt, was soll nur aus euch werden?
Was für unruhige Gebärden?
Wo wollt ihr hin? Begebt euch fort! …
Ich sehe, jener Chorus dort
Macht euch zum Wendehals.“


Goethe, Faust II

Welcher „Chorus“ möchte einen zum Wendehals machen?

In fast aller Munde war dieser Begriff zur Zeit der „Wende“ 1989. Da gab es etliche, die ihre Gesinnung vor dem Hintergrund des zusammenbrechenden sozialistischen Systems schleimig und passend zur sich rasch ändernden politischen Lage anpassten.
Nach einer Wikipedia-Definition steht Wendehals auch für eine Person, die sich überraschend gegen Umstehende wendet, denen sie zuvor noch beigestanden hat. Bedeutungsgleich für einen bedenkenlos sich anpassenden Menschen vulgo „Heuchler“.

Wie komme ich jetzt zur Auseinandersetzung mit dem „Wendehals“?

Seit einiger Zeit fällt mir auf, dass das vormals so regierungstreue und Merkel-affine Blatt „Die Welt“ offensichtlich eine Wende eingeleitet hat. Nichts mehr mit Lobhudelei und Rechtfertigungskommentaren zu Regierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Corona, sondern kritische oder „generalpräventive“ Artikel zur politischen Entwicklung. Was hat zu dem Gesinnungswandel geführt? Zickenkrieg zwischen Friede Springer und der vormaligen Busenfreundin Angela? Einschleimtaktik bei einer wachsenden Opposition im Volk – bei sinkenden Auflagezahlen?
Oder irre ich mich nur?

Dann dieser Artikel von Cora Stephan bei „Tichy“ über ein plötzliches Einvernehmen mit Heribert Prantl.
Sie könne sich „nicht daran erinnern, mit Heribert Prantl in den vergangenen dreißig Jahren je einer Meinung gewesen zu sein. Doch seit einigen Wochen stehen wir gemeinsam auf der Barrikade der Freiheitskämpfer gegen das Alternativlosregime der Kanzlerin.“ schreibt sie.
Wer oder was hat sich da gewendet?
Prantl, der linksliberale Einsülzer erkennt plötzlich, etwas als alternativlos zu bezeichnen, sei ein Armutszeugnis. Sie schreibt:

„Und Prantls Kritik an Entscheidungen am Parlament vorbei, in Kungelrunden von Kanzlerin und Ministerpräsidenten, von denen im Grundgesetz nichts steht? Absolut d’accord. Ebenso seine Kritik an Journalisten, die sich an der Panikpandemie beteiligen und an Juristen, die fein stillehalten, wenn alternativlos verkündete „Maßnahmen“ die Grundrechte verletzen.“

Und Cora Stephan weist in ihrem Artikel auch auf die wundersame Wendung der WHO in der Pandemie-Einschätzung hin:

„…verkündet die WHO am 20. Januar 2021, pünktlich nach der Inauguration von Joe Biden, was man bei den Alternativen zum publizistischen Mainstream schon länger weiß: Die weltweit zum Aufspüren von Infektionen mit Covid 19 verwendeten PCR-Tests sind dazu nicht geeignet. Auf diesen „Zahlen“ (von positiven Tests, nicht aber von Infektionen oder Erkrankungen) aber beruhen sämtliche „Maßnahmen“. „Alle auf der Annahme einer Infektiosität nur wegen irgendeiner positiven PCR-Testung beruhenden Grundrechtsverkürzungen ermangeln einer rechtlichen Grundlage“ …“

Ich will jetzt keine, auch „tiefenpsychologisch fundierte“ Erörterung der Gründe für derartige Wandlungen – z.B. beim Heribert – aufmachen, welcher „Chorus“ aus der Faust´schen Fragestellung dabei vermutet werden könnte.

Ich bleibe mal bei den Personen.

Als der Wendehals schlechthin, auch unter nicht erkennbaren Veränderungen in zugrundeliegenden Gegebenheiten, kommt uns der „Drehofer“ in den Sinn. Horst Seehofer, der bundesrepublikanische Wendehals der letzten Jahrzehnte schlechthin. Sei es als Gesundheitsminister, als Ministerpräsident von Bayern, als Vorsitzender der CSU oder jetzt als Innenminister unter Merkel. Die Drehfreudigkeit in seinen Entscheidungen und Verlautbarungen geht über das hinaus, was Adenauer einst als Grundsatz seiner Kommunikation formulierte: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.
Einmal führt er die Merkel in peinlicher Weise vor, dann ist er nur noch in derer Kohlrausch´schen-Falte zu finden. Einmal mimt er den knallharten Grenzer, dann läßt er seine christ-soziale Moralität entscheiden. Die Wendemanöver von Seehofer sind sattsam bekannt und brauchen hier auch nicht noch weiter ausgebreitet werden.

Es gibt im Deutschen das Sprichwort „Wie der Herr so das G´scherr!“.
Ist Seehofer das „G´scherr“, so ist denn Kanzlerin Merkel sein „Herr“.
Man möchte Merkel offiziell nicht als Wendehals bezeichnen – eine Majestätsbeleidigung, sondern bezeichnet sie als fast „genialische“ Weltmeisterin der Anpassung.
Dabei ist ihre Karriere von zahllosen, fast als paradox anzusehenden Wendungen geprägt.
Von der kommunistisch gemodelten FDJ-Sekretärin zur Bürgerrechtskämpferin. Von der nüchternen Naturwissenschaftlerin – Physikerin – zum „Seelenknödel im Hosenanzug“. Von „Kohls Mädchen“ zu dessen Meuchlerin. Von der Markt-Liberalen zur Staatsinterventionistin. Von der Atom-Lady zur grünen Aussteigerin. Von der Flüchtlings- zur Abschottungskanzlerin. Und so weiter und so fort …
Wendehals oder Lügenmaul? Vom Anatomischen her denkt man bei dem verfetteten Kurzhals und Doppelkinn von Merkel nicht an diesen schlankhalsigen Vogel*, welcher der Sache den Namen gab; von der Psychologie her pendelt man sich bei Personen wie Merkel auf das Lügenmaul ein.

Die aktuelle und zu erwartende Entwicklung vor, mit und nach Corona wird uns noch manche Wendehälse bescheren – in der Politik ganz gewiss, in der Wissenschaft unter den „Experten“ auch ganz sicher; und im Volk auch ganz bestimmt – ganz nach Opportunität bei „panem et circenses“.
Ganz gewiss werden uns weiterhin Lügenmäuler begleiten, bis ans Ende der Zeit …


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  • Diesbezwecks noch eine schöne Definition aus dem Grimm´schen Deutschen Wörterbuch:
    „… kann den hals, der zierlich lang ist, um und um drehen und fuehret ein klaegliches geschrey, welches mehrentheils bey der wettervaͤenderung geschieht.“
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Eine Antwort zu Wendehälse oder Lügenmäuler

  1. Elisa sagt:

    Kohlrausch´sche-Falte!
    und ich dachte spontan an helmut, den längst verblichenen. wie peinlich!
    altmod bildet!

    mir fielen auch schon die gelegentlichen rechten kapriolen der springer-blätter auf. ob diese aus überzeugung erfolg(t)en oder nur dem verzweifelten bemühen, den leserschwund zu stoppen, geschuldet sind, kann ich nicht beurteilen.

    möglicherweise ist dieser vorgang auch nicht ganz unschuldig an den politisch unkorrekten verrenkungen:
    h ttps://www.medienkorrespondenz.de/politik/artikel/us-finanzinvestor-kkr-nun-groesster-aktionaer-des-axel-springer-konzerns.html

    „Innerhalb des Springer-Konzerns gibt es allerdings Befürchtungen, infolge der KKR-Beteiligung werde das Unternehmen künftig auf Rendite getrimmt, so dass aus diesem Grund bestimmte Geschäftsaktivitäten auf den Prüfstand gestellt würden, etwa die der „Welt“-Gruppe, die wirtschaftlich als defizitär gilt. Springer verwies jedoch darauf, dass in der Investorenvereinbarung mit KKR festgelegt worden sei, den Geschäftsbetrieb der „Welt“-Gruppe fortzuführen. Die Vereinbarung folge „dem Leitprinzip, dass Axel Springer weiterhin über sämtliche Kanäle hinweg eine führende Stimme für unabhängigen Journalismus sein wird“. Nach Angaben von Springer ist in der Investorenvereinbarung mit KKR darüber hinaus geregelt, dass „keine Entscheidungen auf Gesellschafterebene ohne die Zustimmung von Friede Springer getroffen werden können“.“

    joo, nicht ohne unsere friede.

    ps
    es bereitete mir ein besonderes vergnügen, dass in diesem alle möglichen facetten des themas beleuchtenden artikel auch die äußeren attribute unserer umfangreichen kanzlerin gebührend gewürdigt wurden. weiter so!

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