Es ist schwierig. Wie selten, finde ich in manchen Dingen nicht zu einem klaren, unumstößlichen Standpunkt, so z.B. betreffend Waffenlieferungen an die Ukraine.
In anderen Sachen bin ich mir unverändert klar: was Putin und sein Russland betrifft, die Rolle der USA und der Nato.
„Ukraine-Fanatismus“ und Waffenlieferungen
Glaubt man den Umfragen, ist eine Mehrzahl der (befragten) Deutschen gegen eine Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine. Andererseits gibt es anscheinend in Deutschland so was wie einen „Ukraine-Fanatismus“.
Als Zeichen der Solidarität mit dem von Russland überfallenen Land soll der ukrainische Unabhängigkeitstag in der deutschen Hauptstadt offizieller Feiertag werden, fordern die Grünen. Mit Ausbruch des Krieges wurden stante pede Hilfsaktionen für Ukrainer und die Ukraine in die Wege geleitet. Sofort ergingen Aufrufe, um Wohnraum für Flüchtlinge, pardon: „Geflüchtete“, zur Verfügung zu stellen, Hilfstransporte in Richtung Ukraine wurden organisiert, öffentliche Gebäude wurden von engagierten Behördenleitern in Blau und Gelb angestrahlt, auf Demonstrationen und im Blätterwald hörte man „Slawa Ukrajini!“ (Ruhm der Ukraine).
Diesen Ausruf machte sich die Rüstungslobbyistin und wehrpolitische Krampfhenne Strack-Zimmermann (F.D.P.) zu eigen, als auf dem FDP-Parteitag mit Emphase den Ruf nach Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine durch die Deutschen erhob.
Das sind Erscheinungen, die mich durchaus skeptisch stimmen.
Die Grünen, denen (Kriegs-) Waffen als Teufelszeug, als das zu Verdammende schlechthin dienten – neben dem menschgemachten Klimawandel selbstverständlich, überschlagen sich nun in einem nie gekannten Bellizismus. Joschka Fischer, der erste bundesdeutsche und grüne Kriegs-Außenminister erscheint einem dazu fast schon wie ein Edel-Pazifist.
Schon allein diese Umstände und die gleichklingende Kriegshaltung der Drecks- und Qualitätsmedien könnten für mich ein Grund sein, mich gleichwohl gegen Waffenlieferungen an die Ukraine zu positionieren. Ja!
Von mir aus kaufen sie sich bei uns die „Raubtierwaffen“ (Baerbock), und nichts dagegen, dass andere dafür aufkommen oder liefern.
Haben wir nicht erst mal an unsere eigene, inzwischen unvergleichlich malad gewordene Verteidigungsarmee zu denken? Für die plötzlich – o Wunder – 100 Mrd. Euro verfügbar gemacht werden sollen?
Ist das Hemd nicht näher als der Rock?
Aber wir haben noch den Mantel der NATO, welche für die Grünen und Linken jeglicher Provenienz gleichwohl bisher Teufelssache war.
Dass jetzt das bunte Deutschland unverbrüchlich, auf allen Ebenen, zur Ukraine zu stehen habe, sehen kluge Leute auch als Ausdruck der altbekannten deutschen Neurose entstanden aus Selbsthass und Schuldkult.
Durchaus wahr!
Unterschlagen wird durchaus, dass die Ukraine bislang zu den korruptesten Staatsgebilden im internationalen Ranking gehört, im Grunde ein „Failed state“ ist; dass die USA mit ihren Hegemonie-Interessen sich gewaltig einmischten; nicht gerade eine wirklich funktionierende Demokratie installiert wurde; die Ukraine unter den osteuropäischen Staaten am wenigsten die Kriterien für eine EU-Aufnahme erfüllt; deren Spitzenpolitiker und Botschafter eine ultra-chauvinistische Rhetorik pflegen, bis hin zu Beleidigungen ihrer potenziellen Verbündeten.
Nicht gerade sympathisch dieser Staat.
In großen Teilen sind die jetzigen deutschen Reaktionen nicht einem rationalen, (geo-) politischen oder strategischen Kalkül geschuldet, sondern sind einmal mehr wieder Ausdruck der hierzulande üblich gewordenen gutmenschlichen und hochmoralischen „Fernstenliebe“ – nicht Nächstenliebe.
Kriegspartei möchte man trotzdem nicht gerne werden, auch wenn man es mit einem hochgefährlichen Aggressor auf der anderen Seite zu tun hat.
Dass alles kommt mir dazu, einem genuinen Skeptiker jetzt in den Sinn.
Putin und Russland
Glaubt man der aktuellen Kriegsberichterstattung (keiner, von jeglicher Seite kann eigentlich wirklich geglaubt werden) haben sich Putin, sein Generalstab und Militär mit dem Angriff auf die Ukraine selbst ins Knie geschossen. Nicht nur, dass Putins „Maßnahme“ eigentlich ein Blitzkrieg sein sollte und jetzt schon drei Monate andauert, die Russen irgendwie festgefahren, mancherorts auf dem Rückzug sind.
Nebenbei: das noch ohne die Panzerhaubitze 2000, ohne Marder und Leopard. Nur überwiegend mit alten Waffen aus der Sowjetzeit und nur teilweise moderner Technik aus dem Westen – aber mit einem unbändigen Verteidigungswillen und einer offensichtlich den Russen überlegenen Organisation und Militärdoktrin.
Das nötigt einem schon Respekt ab.
Keine Abstriche mache ich in meiner Einstellung zu Putin.
Er ist ein gefährlicher aggressiver Potentat, ein Russo-Chauvinist, dem hoffentlich möglicherweise die eigenen Leute das Handwerk legen werden.
Aber was oder wer käme dann nach?
Schweden und Finnland schließen sich jetzt der NATO an. Das halte ich für gut. Diese Reaktion hatte Putin mit seiner „Maßnahme“ möglicherweise nicht konkret in seinem Vormerkbuch. Wie er sich offensichtlich auch in der Leistungsfähigkeit seines hochgerüsteten Militärs geirrt hat. Schlecht ausgebildete, gequälte und demotivierte Soldaten, eine kopflastige, desolate Führungsstruktur, marodes Gerät, desolate Logistik, mangelnde oder fehlerhafte Munition trotz High-Tech-Militärgerät usw., lassen ihn und seinen russischen „militärisch-industriellen Komplex“ zum Gespött werden. Das wird – neben den bereits vollzogenen Sanktionen – fatale Auswirkungen auf das Land haben. Gleichgültig wie der Krieg enden wird.
Die von vielen Russophilen und Putin-Verehrern hierzulande von ihm übernommne Thesen von der Einkreisung des friedliebenden Russlands durch die Nato, die angeblichen Schandtaten des Westens im „Nazi-Staat“ Ukraine in diesem Zusammenhang, die angebliche existentielle Bedrohung Russlands durch USA und Nato, sind Lüge und eine Außen-Aggression rechtfertigende Rhetorik. Hätte sich der Westen „Mütterchen Russland“ einverleiben wollen, wie Putin behauptet, wäre das mit Leichtigkeit schon in den 90er und Anfang der 2000er Jahre möglich gewesen.
Tatsachen sind:
- Putin begann nach Festigung seiner Macht mit einem riesigen Aufrüstungsprogramm.
- Russland, Putin bewies seine Aggressivität nach außen und seinen ungebrochenen Imperialismus mit dem Krieg gegen Tschetschenien, mit der Invasion Georgiens, und dann mit der Annektierung der Krim und den militärischen Aktionen im Donbass.
- Russland unterhält mit dem „Oblast Kaliningrad“, dem russisch annektierten Gebiet des ehemalig deutschen Ostpreußens, einen gigantischen Militärstützpunkt mitten in EU-Gebiet. Das ist die hauptsächliche Relevanz dieser Region – auch nach der Auflösung der Sowjetunion.
- Weißrussland soll nach Putins Willen „Mütterchen Russland“ wieder einverleibt werden. Es wurde unter Putins Regie vertraglich zum Standort nicht nur für Truppen, sondern auch für russische Atomwaffen in nächster Nähe von Nato- und EU-Staaten. Nur kann er sich nicht so recht auf den dortigen Diktator Lukaschenko verlassen.
- Die ehemaligen Vasallen Polen, die baltischen Staaten, Tschechien, Moldawien fürchten nichts mehr, als den russischen Bären in der Nachbarschaft – und im eigenen Land.
- Finnland hat einschlägige Erfahrungen mit Russland und konnte einst nur in einem blutigen Krieg seine Unabhängigkeit behaupten.
- Russland hat schon mehrfach ohne Not Schweden mit Manövern über dessen Staatsgebiet gereizt.
Nicht verwunderlich, dass jetzt die Nato wieder im Aufwind und mit neuem Leben erfüllt erscheint.
Dem konnten sich die Gesinnungs-käuflichen „Young Global Leaders“ von den Grünen denn auch nicht entziehen. Nicht mal das einfältige Plapperlieschen in der Funktion der ersten „feministischen Außenministerin“ der Geschichte und die verfettete oberste Maulheldin der Grünen namens Ricarda Lang.
Das hält mich aber nicht davon ab, der Sache der Nato, dem westlichen Verteidigungsbündnis das Wort zu reden.
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Zur Information und Vertiefung:
Vor einem Jahr erschien bereits dieser Beitrag: „Was taugt Russlands Armee?“
https://youtu.be/pJXjr2CKMH4
Aktualisiert jetzt nach den jüngsten Entwicklungen: „Was macht die RUSSISCHE ARMEE so INEFFEKTIV?“
https://youtu.be/pJXjr2CKMH4?t=14
Und: Warum VERSAGT Russlands MILITÄRISCH-INDUSTRIELLER Komplex?
https://youtu.be/Hp-fCtSNvWA?t=42
Man kann noch einmal mehr zurückblättern. Auch dieses Video erschien bereits vor dem Angriff auf die Ukraine. Was da ausgebreitet wurde, erweist sich nun als sehr vorausschauend:
https://youtu.be/fqX75LRPkiA?t=525