Unschuldsvermutung

für die CSU?

„Die Hafenstraß ist multikulturell,
die CSU ist multikriminell“
Biermösl Blosn*

Der Begriff „Kollektivschuld“ oder einer „Erbschuld“ ist für mich ganz bestimmt obsolet. Aber nun wird man wieder mit einem neuen Skandal in Verbindung zur CSU, mit deren Image konfrontiert:
Der Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) soll einem Maskenhersteller Aufträge – unter anderem der Bundesregierung und der bayerischen Landesregierung – beschafft und sich persönlich bereichert haben. Im Raum steht ein Betrag von über 650 000 Euro. Das Geld, als Beraterhonorar an Nüßleins Firma Tectum gezahlt, soll nicht versteuert worden sein. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten, sein Büro in Berlin und in seinem Wahlkreis Günzburg wurde von der Polizei durchsucht.
BILD liefert einen ausführlichen Bericht dazu.

Medien sprechen in diesem Zusammenhang einmal mehr blauäugig von einem „schweren Rückschlag im gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen die Pandemie, dessen Wucht noch gar nicht absehbar ist“.

Natürlich muss zunächst die Unschuldsvermutung gegen diesen CSU-Funktionär und „Volksvertreter“ gelten.

Aber…

Schon wieder die CSU!

Möglicherweise diejenige demokratische, angeblich christliche Partei im politischen Westen, die wohl für das „Guinness Buch der Rekorde“ die meisten Skandale liefern könnte.

Hat nicht die Verkopplung mit Skandalen, Intrigen und nicht nur schlitzohrigen Machenschaften vielleicht Franz Josef Strauß 1980 letztendlich die Kanzlerschaft gekostet?
Wirklich in irgendeiner Weise bedeutsame Gestalten hat die CSU vor und nach ihrem skandalbelasteten Prinzipalen nicht mehr hervorgebracht. Dem einstigen „Archonten“ mögen Manche etwas verzeihen. Er war, ist ja eine führende Person unserer einst noch kraftvollen „Republik“; trotz aller Affären. Mein Verhältnis zu ihm war und ist durchaus ambivalent.

Meine Vorbehalte

Wer mit dem Teufel Karten spielt,
stinkt nach Schwefel.

Volksmund

1969 wollte mich mein früherer Deutschlehrer, ein väterlicher Freund – CSU-Ortsvorsitzender damals – dafür gewinnen, in die CSU einzutreten und in unserer Heimatstadt eine JU-Gruppe zu gründen. Und das gerade am Rande einer Wahl-Veranstaltung mit Richard Stücklen, vormals NSDAP-Mitglied und von 1957–66 Minister für das Post- und Fernmeldewesen. In der Diskussion hatte Stücklen einen Freund von mir wegen recht kritischer Fragen in der Versammlung als „Drecksau“ bezeichnet. Ich war damals gewiss kein „Sozi“, zählte nicht nur von meiner Herkunft zu den Bedächtigen in unserem Umfeld, was mich für meinen schulischen und politischen Mentor für die CSU geeignet machte. Aber die Auftritte solcher „CSU-Granden“ damals, die Erinnerung an die zahlreichen Affären von Franz Josef Strauß, der immer mehr Macht in der CSU bekam, trieben mich aus dem damals gerade zaghaft betretenen „bürgerlichen Lager“. In Erinnerung und aufgestoßen war mir – das vielleicht von linker Seite hochgejazzte Zitat des vormaligen Innenministers Höcherl (ebenfalls einst NSDAP-Mitglied): „Die Verfassungsschützer können nicht immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen“. Vielleicht nur von der aufkommenden Linkspresse skandalisiert, aber für mich und viele eine nicht akzeptable Einstellung.
Wer wollte von derartigen Ansichten und Gebaren – die sog. Spielbankenaffäre mit ihren Meineidsexzessen lag auch noch nicht lange zurück – als Parteigänger gebrandmarkt sein:
mit solchen „Kainsmalen“. Damit waren die Politik der CSU und deren Personen für mich als mögliche Orientierung verloren unter Bezug auf Richtmarken, die mein Mentor selbst gegeben hatte. Und dann sagte ich ihm durchaus schroff: „Wer mit dem Teufel Karten spielt … – ich möchte es nicht“.
Ach wie idealistisch und blauäugig – aber denn ehrlich – trat man in der Jugend auf.

Die CSU von 1946 bis heute

1946 – Josef Müller („Ochsensepp“), anerkannter Widerständler im Dritten Reich, sollte nach der Landtagswahl 1946, bei der die CSU 52,3 Prozent holte, bayerischer Ministerpräsident werden. Sein klerikaler Widersacher Alois Hundhammer durchkreuzte das mit einer Intrige.

1959 – mit der so genannten „Spielbanken-Affäre“ mit welcher der Hauptkonkurrent, die Bayernpartei, im Jahre 1959 eliminiert wurde, führte zur Etablierung der CSU als führende Kraft in Bayern.

1961– da begann die lange Regentschaft von Franz Josef Strauß über die CSU und damit das wohl bunteste Kapitel in der Geschichte der Partei. Unter Strauß begann die Verschmelzung zwischen CSU und Bayern, die CSU wurde zur bayerischen Staatspartei, gleichzeitig begann aber die Grenze zwischen Recht und Unrecht immer unschärfer zu werden. Strauß hatte dfas schon auf Bundesebene realisiert.

1956 – Affäre um den Schützenpanzer HS-30.

1958 – Beginn der Lockheed- und Starfighter-Affäre, die in Opfer von 116 Bundeswehrpiloten mündete.

1961 – Fibag- Affäre um den Bau von Kasernen für in Deutschland stationierte US-Streitkräfte. Ein Untersuchungsausschuss kann Strauß aber keine Verfehlungen nachweisen.

1962 – im Vorfeld zu der viel bekannteren Spiegel-Affäre berichtet das Magazin über „Onkel Aloys“.

1962 – die Spiegel-Affäre, welche erstmals die Bundesrepublik in ihrer neuen demokratischen Selbstvergewisserung wirklich erschüttert. Strauß tritt als Verteidigungsminister – und selbsternannter Hoffnungsträger eines wiedererstandenen Deutschlands zurück.

1966 kehrte Strauß als Finanzminister in die hohe Politik zurück und leistete in den folgenden Jahren – auch ab im Wesentlichen nicht zu beanstande bundespolitische Arbeit

1976 – Intrige gegen Franz Heubl, CSU-Vize und bayerischer Staatsminister für Bundesangelegenheiten, der zu den Gründungsmitgliedern der CSU gehörte. Er versuchte sich, als liberaler Gegenspieler zu Franz Josef STRAUSS zu profilieren, und wurde abgesägt.

1978 – Strauß wird Bayerischer Ministerpräsident.

1980 – Strauß verliert bei der Bundestagswahl gegen Helmut Schmidt und zieht sich nach Bayern zurück, ohne nicht auch sich in Bundesangelegenheiten einzumischen.

Dann betreten seine „Eleven“ das Spielfeld

1987 – Caritas-Affäre: Der damalige Ministerpräsident Max Streibl kauft ein vererbtes Grundstück für 1,32 Mio. Mark und setzt sich gegen die anderen Interessenten durch.

1983 – Otto Wiesheu, Generalsekretär der CSU war mit 1,99 Promille unterwegs und verursachte einen schweren Verkehrsunfall, bei dem ein Mensch getötet und ein weiterer schwer verletzt wurde. Das Landgericht München verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung zu 12 Monaten Haft auf Bewährung. Er trat als Generalsekretär zurück. 1990 wurde er Staatssekretär, um dann 1993 ausgerechnet bayerischer Verkehrsminister zu werden.

1993 – Max Streibl stolpert über die „Amigo-Affäre“, bei der es unter anderem auch um Gratis-Reisen auf Kosten eines befreundeten Unternehmers gegangen war.

1993 – Machtkampf Stoiber/Waigel. Es tauchen Gerüchte über Waigels Privatleben auf. Er soll Eheprobleme haben und eine Beziehung mit der Skirennläuferin Irene Epple führen. Waigel zieht sich aus der aktiven Politik zurück.

1993 – Stoiber wird bayerischer Ministerpräsident.
Edmund Stoiber wollte angeblich das byzantinische Treiben, das am Hofe von Strauß geherrscht hatte, endgültig abstellen. Die CSU-Affären verloren ihren barocken Charakter und nahmen anscheinend bundesdeutsches Normalmaß an.

Seit dem Amtsantritt Stoibers gilt als oberstes Gesetz, dass an Fehlern und Pannen niemals der Chef schuld sein darf, sondern immer rechtzeitig ein Sündenbock gesucht werden müsse.

1993 – die „Kanzlei-Affäre“ mit Peter Gauweiler, Münchner Ex-CSU-Chef und OB-Kandidat, beschäftigt 1993 einen Untersuchungsausschuss im Landtag. Die Vorwürfe: Gauweiler habe nach dem zeitweiligen Ausscheiden aus seinem Rechtsanwaltsbüro Mandanten für 10.000 Mark pro Monat „verpachtet“ und der Kanzlei als Minister Kunden zugeschanzt.

1998 – Die „Käseschachtel-Affäre“ des früheren CSU-Stadtratsfraktionschef in München Gerhard Bletschacher: drei Jahre und neun Monate Gefängnis

1998 – die „Bauland-Affäre“ mit „Propeller-Erich“, dem einzigen CSU-OB Münchens, Erich Kiesl.
Auf dem Boden juristischer Tatsachen holt ihn 1998 seine Verwicklung in die seit 1981 schwelende Bauland-Affäre ein, bei der sich Spekulanten im schwunghaften Handel mit Stadtgrundstücken bereicherten. Untreue und eine Falschaussage addieren sich zu 20 Monaten auf Bewährung.

1999 – 2001 BSE-Skandal und Schweinemast-Skandal – Rücktritt der „Gesundheitsministerin“ Barbara Stamm, einer alteingesessenen fränkischen CSU-Prinzipalin.

2003 – „Dossier-Affäre“ Monika Hohlmeier. In den Medien wird von Erpressungsversuchen der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier gegen Kollegen aus dem Bezirksvorstand berichtet. Sie versucht ihren Bruder Max STRAUSS, der wegen Steuerhinterziehung angeklagt ist, als geistig verwirrt zu erklären, um ihn vor einem Prozess zu retten.

2004/2005 – „Wahlfälschungsaffäre“ der CSU München mit Monika Hohlmeier. Hohlmeier muss als „Kultusministerin“ zurücktreten.

2006 – Stoiber tritt wieder auf den Plan, nachdem seine Umfragewerte für die kommende Wahl abstürzen: Die Bespitzelungsaffäre um Gabriele Pauli

2007 – Stoiber t ritt zurück, es folgen Günther Beckstein und später der Wackelpudding Horst Seehofer als Ministerpräsidenten.

2007 – auch Beginn der Hypo-Alpe-Affäre, in die Finanzminister Söder involviert ist

2008 – Seehofer wird Ministerpräsident von Bayern

2011 – Der adlige Hoffnungsträger der CSU, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat seine Doktorarbeit in großen Teilen abgeschrieben, muss deshalb gehen.

2017 – Seehofer beklagt sich über „Schmutzeleien“ von Söder in seinem Kabinett und der CSU.

2018 – Markus Thomas Theodor Söder wird Ministerpräsident von Bayern.


Zu „Södolf“ will ich jetzt nichts weiter ausführen.

Aber wenn man bei Mediokrität bleiben mag, sollte mal auch ganz kurz auf das gegenwärtige Personal der CSU aus der nächsten Reihe eingehen:

Alexander Dobrindt: Von der Diesel-Affäre über den Autobahnskandal bis hin zur verfehlten Breitbandpolitik, um nur einige Beispiele der letzten Legislaturperiode zu nennen: Wie ein roter Faden ziehen sich Skandale und verunglückte Projekte durch die Karriere von Dobrindt, und der darf aus nur schwer nachvollziehbaren Gründen weiterhin eine politische Rolle spielen. CSU eben…

Andreas Scheuer: gekaufter Doktor-Dünnbrettbohrer, Maut-Skandal, Panne mit der StVO-Novelle. Der Widergänger im vormaligen Amt von Dobrindt.

Dorothea Bär: „Antisexistin“, die eher durch schrilles Outfit beim Franken-Karneval – wie ihr Parteichef – auffiel als durch konkrete Leistungen im Amt.

Keine Perspektive irgendwo …

Eine „Unschuldsvermutung“ – wenn ich CSU höre – gibt es für mich schon lange nicht mehr.

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  • Bekanntheit erlangte die Gruppe 1979 nach der Silvester-Sendung „Scherz, Satire und Kleinkunst“ des Bayerischen Rundfunks als Ihr Lied „Gott mit dir du Land der Baywa“ unmittelbar vor der Neujahrsansprache des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß ausgestrahlt wurde. Nach dieser Episode kamen die „Biermösl Blosn“ im Bayerischen Rundfunk die nächsten fünfzehn Jahren nicht mehr vor.

Immer noch aktuell:

https://youtu.be/PtrZ8sfGXS0?t=212
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7 Antworten zu Unschuldsvermutung

  1. Patricia sagt:

    Mein Vater bekam in den 50er Jahren das Angebot, in die CSU einzutreten und dort Karriere zu machen. Er lehnte dankend ab.
    Mir ging es in meiner Schul- und Studienzeit ähnlich wie dem Autor. Von Haus aus konsevativ und kirchlich, war dies CSU meine Sache nicht. Andere Parteien allerdings auch nicht. Mitglied wäre ich jedenfalls bei den sog. Christsozialen nie geworden.

  2. KW sagt:

    Sind die nicht alle gleich kriminell? Wenn einer sauber und damit unbestechlich ist, kommt er in diesem System nicht hoch.

  3. Elisa sagt:

    lieber altmod, was für eine chronique scandaleuse! vieles war mir gar nicht mehr im gedächtnis, danke für die erinnerung. man stelle sich vor, die für diese schandtaten nötige energie wäre für das eingesetzt worden, wofür diese personen durch den wähler in amt und würden kamen.

    h ttps://beruhmte-zitate.de/zitate/136250-angela-merkel-man-kann-sich-nicht-darauf-verlassen-dass-das-was/

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