„Relotius reloaded“

Peinliches Gesülze, oder

Die merkwürdige Aufarbeitung des „Spiegel-Skandals“ durch den Chefredakteur

Spiegel-online titelt am 20. Dezember:

SPIEGEL legt Betrugsfall im eigenen Haus offen
Eine Rekonstruktion in eigener Sache von Ullrich Fichtner

Der Spiegel wird von neuem durch einen Skandal erschüttert. Ein geschätzter und vom Clan der bundesdeutschen Journaille mehrfach dekorierter Redakteur des Hauses, Claas Relotius, wurde als notorischer Fälscher und Märchenerzähler entlarvt.
Dieser neue „Spiegelskandal“ ist mitnichten mit der „Spiegelaffäre“ von 1962 („Bedingt abwehrbereit!“) zu vergleichen. Damals konnte der Spiegel sich tatsächlich noch als „Sturmgeschütz der Demokratie“ (Rudolf Augstein) auszeichnen. Heute trifft wohl eher die Bezeichnung „Meinungskatapult der Demokratur“ oder „Sudelblatt des Mainstreams“ den Kern.
Das jetzige Spiegel-Ramasuri kann man eher neben den Skandal des gleichfalls linken Gesinnungsblattes „Der Stern“, mit seinen „Hitler-Tagebüchern“ von 1983 stellen.

Der Spiegel ergriff sofort mit mehreren Beiträgen – gewissermaßen im „Forechecking“- die Initiative und publizierte, wie er auf die Fälschungen reagiert und gibt „Antworten auf die wichtigsten Fragen„. Dazu liefert aktuell noch der Chefredakteur Ulrich Fichtner seine journalisische „Rekonstruktion in eigener Sache“.

Fichtner weist ja eine linksgeprägte Journalistenkarriere auf: Volontariat in der Frankenpost (eine Zeitung der SPD-Medien-Holding), dann nach dem Studium von Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaften langjährige Tätigkeit bei der Hessen-Pravda, der Frankfurter Rundschau, schließlich Anstellung beim Spiegel, zunächst als Reporter, dann Redakteur. Die Vita erklärt aber nicht hinreichend die Intention, die Fichtner nun mit seiner Ignoszenz-Schrift verfolgt.
Denn man darf auch feststellen, ein bösartiger Analytiker könnte ein wenig schmeichelhaftes Psychogramm auch des Verfassers daraus ableiten.

Der ganze Artikel – dem interessierten Leser unbedingt zum Lesen empfohlen – scheint mir durchsetzt mit einer nicht verhehlten Bewunderung des Betrügers und Plagiators Claas Relotius, seiner Methoden und seiner Persönlichkeit.

Relotius hat nach Meinung der Jury des Deutschen Reporterpreises 2018 die beste Reportage des Jahres geschrieben, über einen syrischen Jungen, der angeblich im Glauben lebt, den Bürgerkrieg im Land mit ausgelöst zu haben. Die Juroren würdigen einen Text „von beispielloser Leichtigkeit, Dichte und Relevanz, der nie offenlässt, auf welchen Quellen er basiert.“ zitiert Fichtner exponiert die Juroren.

Großmutter pflegte zu sagen: Der Schmierer an der Wand, sieht die eig´ne Schand!

Fichtner verzettelt sich in seinem Impetus, einerseits eigene Fehler bzw. des Spiegels (das  Opfer) darzulegen und Nachsicht dafür zu wecken, und andererseits dabei auch unterschwellig Verständnis für den Täter zu wecken: „ein journalistisches Idol seiner Generation“.

Fichtner: „Ein Kollege, der viel mit Relotius‘ Texten zu tun hatte, sagte Anfang dieser Woche, die Affäre fühle sich an „wie ein Trauerfall in der Familie“.
Man hatte also eine besondere und enge Fühlung zu Person und Methode des Fälschers. Und der Depp vom Dienst (vom Spiegel) hatte wohl noch nie einen Trauerfall in der Familie, sonst würde er im Zusammenhang mit diesen Betrügereien nicht solchen Käse reden.

„Dass es Relotius gelingen konnte, jahrelang durch die Maschen der Qualitätssicherung zu schlüpfen, die der SPIEGEL in Jahrzehnten geknüpft hat, tut besonders weh, …verursacht einen stechenden Schmerz…“

Soll der (wohlwollende) Beobachter oder Leser jetzt auch noch Mitleid mit den Mit-Defraudanten haben?

Es folgt im Text dann eine langatmige Entschuldigung bei den betroffenen Personen, den „Leserinnen und Lesern, bei allen geschätzten Kolleginnen und Kollegen in der Branche, bei den Preiskomitees und -jurys, den Journalistenschulen, bei der Familie Rudolf Augsteins, bei Geschäftspartnern und Kunden.“ Bla, bla, bla – möchte man an der Stelle fortsetzen.

Über die Redakteurs- und Recherche-Arbeit des Ex-Mitarbeiters:
„Fragwürdigkeiten stellen sich sofort ein, sobald man einmal anfängt, sie zu suchen. Wer arglos liest, merkt nicht weiter auf. Wer das Falsche sucht, wittert es bald überall. Es gehört zur Grundausstattung des Menschen, im Umgang mit Wahrheit und Wahrscheinlichkeit erstaunlich grosszügig zu sein, solange kein Grund zum Zweifeln besteht.“ Oder „dass man in der Rückschau sagen muss: »Es ist zu schön, um wahr zu sein«“.
Welch merkwürdige Ausrede für journalistische Schlamperei und Selbstbetrug.

Diese „Schönheit“, die R. produziert hat, beeindruckt offensichtlich Fichtner nach wie vor und mit seinem Artikel imitiert Fichtner geradewegs diese journalistische „Ästhetik“ – welche „Kino im Kopf“ entstehen lassen soll.
Wenn ich was lesen will, das sich „filmisch anfühlt“ dann kaufe ich mir nicht ein Nachrichtenmagazin sondern einen Roman eines guten Schriftstellers.
Kino im Kopf“ – wenn Journalismus das will, ist das schon mehr als nur der Eintritt in Fiktionales oder Manipulation.

Über die Arbeit von „Santa Claas“ findet man u.a. noch folgende Sätze: 

„Er beweist sein Talent, seine Hingabe an den Beruf, Woche für Woche. Erledigt Redaktionsdienste, macht auch kleine Interviews, schreibt in schnellem Takt Texte für die SPIEGEL-Rubrik „Eine Meldung und ihre Geschichte“. Das wöchentliche Format, das hinter die tiefere Wahrheit der kleinen, vermischten Nachrichten steigen soll, liegt ihm. Er beherrscht die Form. Mit Witz. Und Tempo.

„Aus solchem Stoff sind die ganz großen Geschichten gemacht ( Fichtner über „Löwenjungen“) und: „In solchen Texten zieht sich die Gegenwart einmal auf ein lesbares Format zusammen, große Linien der Zeitgeschichte werden fassbar und schlagartig wird das Große ganz menschlich verständlich.“

Aber: „Er hat .. durch einen Kunstgriff meisterhaft verschleiert“.

„Claas Relotius hat alle geblendet … in diversen Jurys haben sich Bischöfe und Unternehmer, Menschenrechtler und Medienschaffende, Politiker und Mäzene verzückt über seine Texte gebeugt, und zu Recht: Sie waren oft groß und schön.“

Über die „Letzte Zeugin“ : „Es ist ein wirklich einfühlsames Porträt, souverän vorgetragen, der Reporter hatte offenkundig viel Zeit mit seiner Protagonistin, die ihren wahren Namen nicht in der Zeitung lesen will, so was kommt vor, man kann das verstehen…“
Er muss aber eingestehen: „Passt alles perfekt. Stimmt nur nicht. Nichts davon.“

Verstehen“, das ist anscheinend der Antrieb Fichtners in seiner „Aufarbeitung“. Wie in der Psychoanalyse oder Tiefenpsychologie, dieser Lieblingsdisziplin linker Welterklärer.
Doch alleine mit „Verstehen“ kann man kein Problem praktisch lösen oder Veränderung im Zustand des Patienten herbeiführen.

Zum Schluss seines Beitrags breitet Fichtner seinerseits ausführlich – mit den aufgezeigten journalistischen Finessen ausgeformt – die Geschichte der Aufdeckung dieses Skandals durch einen Kollegen des Fälschers aus und erschafft denn gleich mit dieser Person einen neuen (Spiegel-)Helden des investigativen Journalismus – einen Kino-Helden im Kopf.

Unter dem Ende des ganzen Schleims findet man dann noch den Hinweis:
„In einer früheren Fassung dieses Textes wurde der unangemessene Ausdruck „getürkt“ verwendet. Wir haben das korrigiert.“

Dieser „Skandal“ ist exemplarisch für die deutsche Pippi-Langstrumpf-Republikunter Führung der Sozialdemokratie.
„Bischöfe und Unternehmer, Menschenrechtler und Medienschaffende, Politiker und Mäzene (haben sich) verzückt über die Texte gebeugt“.

Man hat das gelesen und gesehen, was man in seiner gutmenschlichen, zeitgemäßen und hypermoralisch schuldgeplagten Attitüde finden möchte. Und der Spiegel (oder Relotius?) hat geliefert.
Und nach dem Skandal wird sich nichts ändern: Der Spiegel, SZ, Die Welt, die Zeit, ARD und ZDF usw. werden weiter pflichtschuldigst liefern nach dem Motto: „2 x 3 macht 4 – Widdewiddewitt und Drei macht Neune!! Ich mach‘ mir die Welt … , wie sie mir gefällt …“.

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4 Antworten zu „Relotius reloaded“

  1. Rizzo C. sagt:

    Wieso ist der solange beim Speigel herumgegammelt? Der hätte doch längst schon Regierungssprecher sein können? Äh Moment, war er das etwa ohnehin, unter Pseudonym und guter Maske?

  2. Wer den Spiegel noch liest und auch noch an das glaubt was da geschmiert steht, dem ist nur noch bedingt zu helfen.

  3. Peter Helmes sagt:

    @ Bauer Gerhard: Dem ist unbedingt zuzustimmen!
    Gaaanz früher habe ich auch zu den Leuten gehört, die meinten, man MÜSSE den SPIEGEL lesen. Seit 1980 habe ich keinen Spiegel mehr gelesen – und siehe da: Mir fehlt nix! Lb. Gr. PH

  4. Peter Helmes sagt:

    @ Bauer Gerhard: Dem ist unbedingt zuzustimmen!
    Gaaanz früher habe ich auch zu den Leuten gehört, die meinten, man MÜSSE den SPIEGEL lesen. Seit 1980 habe ich keinen Spiegel mehr gelesen – und siehe da: Mir fehlt nix! Lb. Gr. PH

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