Was der Bischof verdrängt

Es ist Tradition, dass zum 1. Fastensonntag ein Hirtenbrief des Bischofs an seine Gemeinden verlesen wird. Was ich mir da heute vom Bischof des Bistums Fulda anhören durfte und mich zu diesem Beitrag veranlasste, kann der interessierte Leser hier einsehen: http://www.bistum-fulda.de/bistum_fulda/presse_medien/aktuelles_bischofswort/hirtenbriefe/fastenhirtenbrief2016/fastenhirtenbrief2016.php

Natürlich ist die Kanzel der Ort, von dem aus Mahnrufe an Barmherzigkeit und Nächstenliebe im Geiste Christi an uns Gläubige gerichtet werden. Natürlich darf von dort in einem bischöflichen Hirtenwort kein Aufruf zur Ausgrenzung oder Herabsetzung von Fremden ausgehen; es wäre das Gegenteil von dem, was von einem Hüter des christlichen Glaubens zu hören sein sollte. Natürlich müssen wir von dort Ermahnungen aus dem Hirtenmund zu unserer Sündhaftigkeit und zur Besserung dulden. Natürlich sollte die Kanzel kein Podium für politische Botschaften (mehr) sein!
Und natürlich erwarten wir von einem katholischen Hirten in seiner Botschaft auch einen konkreten Lebensbezug; jedoch keine zuvorderst politischen Deklarationen, wie man dies oft den Protestanten unterstellt.
Es mag dem Bischof selbst und dem vortragenden Priester gefallen und sicher „im Geist des Herrn“ sein, was er mit dem heutigen Hirtenbrief zum ersten Fastensonntag den Gemeinden zumuten mochte. Mir nicht in Gänze.

Eingebettet in die Ermahnungen zur vorösterlichen Bußzeit mutet denn mir – uns – Bischof Algermissen unverhohlen Appelle zur Fortsetzung der politisch gewollten und befeuerten „Willkommenskultur“ zu.

Im Umgang mit den Flüchtlingen, die heute in unser Land strömen, stehen ihm im positiven Sinnen die „Bilder vom Herbst letzten Jahres vor Augen – winkende Menschen auf den Bahnhöfen unserer Städte, die ankommende Flüchtlinge mit heißen Getränken, Decken und Spielzeug willkommen heißen; – freiwillige Helfer in den Erstaufnahmeunterkünften, oft bis zur völligen Erschöpfung im Einsatz;“.
Aber dann beschwört er die „Bilder von brennenden Flüchtlingsheimen und fremdenfeindlichen Demonstrationen.“ Und: „Nicht zu reden von der aggressiven Hetze gegen Flüchtlinge, den anonymen Drohbriefen an Politiker und den obszönen Hasskommentaren im Internet. Erschreckend, was für eine menschenverachtende Geisteshaltung da plötzlich mit Macht zutage trat, die an Szenen und Parolen aus dem Dritten Reich erinnert.“
Wie es sich für den christlichen Seelsorger gehört, wendet er sich gegen die Verhärtung unserer Herzen und dabei will er uns erinnern, wie erfolgreich die „Eingliederung der Heimatvertriebenen nach dem 2. Weltkrieg, der Gastarbeiter und der Russlanddeutschen“ war.
Algermissen meint: „Angesichts der inneren Zerreißprobe, vor der unsere Zivilgesellschaft steht, frage ich mich, auf welcher Seite wir stehen. Teilen wir die Leidenschaft Gottes für sein Volk? Lassen wir uns das auch etwas kosten? Wie reden wir über „die Flüchtlinge“ oder „das Flüchtlingsproblem“ in unserem Freundes-, Kollegen-, Bekanntenkreis? Sehen wir nur die Gefahren und Bedenken, oder nehmen wir die Herausforderungen aktiv und konstruktiv an?“

Ja, die Gefahren und Bedenken klammert der Bischof in seiner Predigt zur Buße und Barmherzigkeit aus, und auf welcher Seite er steht, ist eindeutig. Das alles sei ihm gestattet.
Aber er möge bitte nicht Parolen und Stichworte der Politiker übernehmen.
Der Verweis auf Heimatvertriebene, Gastarbeiter und Russlanddeutsche – gerne auch bemüht von Grünen und linken Politikern – schließt wesentliche Gesichtspunkte aus, welche der Bischof kennen müsste. Die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge damals waren Deutsche, sprachen deutsch, waren Christen und wiesen keine divergenten kulturellen Prägungen auf. Die Gastarbeiter kamen überwiegend aus abendländisch, christlich geprägten Kulturen, was sich aber mit der Hereinnahme der Türken änderte. Die Russlanddeutschen sprachen (überwiegend) deutsch als Muttersprache und brachten Werte und Tugenden mit, die den hier geprägten entsprachen. Wie Integration nicht gelingen kann, beweisen gerade die Türken als „Gastarbeiter“, die in 2. und 3. Genaration zugewandert sind.

„Teilen wir die Leidenschaft Gottes für sein Volk?“ fragt der Bischof.
Welches ist das Volk Gottes, das der Bischof meint? Die gesamte Menschheit? Die Völker, die den jüdischen und christlichen Gott anbeten? Gehören die „Söhne Allahs“ zu diesem Volk, oder verstehen sich die nicht als „Gottesvolk“ schlechthin?
Wenn der Bischof alle meint, die Menschheit allumfassend, wozu binde ich mich dann exklusiv an meinen christlichen Glauben und die Kirche und gehe in Seelennöten oder auch in Dankbarkeit nicht zum Imam, dem Rabbiner, dem Dalai Lama oder pilgere zu einem Shintu-Schrein? Nun ja, das ist wohl eine „theologische“ Frage, für die ich zu unbedarft bin.

Er beschwört die „Bilder von brennenden Flüchtlingsheimen“.
Hat er auch registriert, was sich tagtäglich in den Unterkünften selbst abspielt, wo Menschen unterschiedlicher Gewissheit vom „Volk Gottes“ aufeinandertreffen und wo besonders unsere christlichen Glaubensgenossen einer nicht zu denkenden Gewalt ausgesetzt sind, sodass inzwischen Amtsbrüder des Bischofs die getrennte Unterbringung muslimischer und christlicher Asylbewerber fordern.

Er fragt „Lassen wir uns das auch etwas kosten?“.
Natürlich, materiell gesehen, können wir gar nicht davon kommen. Als Gesellschaft, wie auch als Einzelner, der Steuern – und vielleicht auch Kirchensteuer zahlt.
Der Bischof braucht an mich nicht zu appellieren, in konkreten Umständen materiell und persönlich handelnd, mildtätig zu sein und zu helfen.
Aber was lassen wir uns es noch kosten, jenseits monetärer Rechnungen?
Die Durchdringung unseres gesellschaftlichen Lebens mit Faktoren, die im Widerspruch zu unserem Verständnis von Menschenwürde und Menschenrechten stehen, die Tolerierung einer nicht mehr nur schleichende Islamisierung unserer Gesellschaft bis hin zu unserem Rechtswesen.
Ist es im Namen der Religion – weil es „Religion“ ist – statthaft, Frauen zu schlagen, als Menschen minderer Kategorie zu betrachten, Kinder zwangsverheiraten, Andersgläubigen den Tod anzudrohen? Parallelstaaten und -Gesellschaften in Staat und Gesellschaft aufzubauen?
Dies sollen wir uns es wohl auch „kosten lassen“?

Für seine Fastenbotschaft wählte Bischof Algermissen einen Spruch aus dem Alten Testament: „Da erwachte im Herrn die Leidenschaft für sein Land, und er hatte Erbarmen mit seinem Volk. (Joel 2,12-18)“. Das bezog sich auf eine Erfahrung der Israeliten im 5. Jahrhundert vor Christus, schreibt Algermissen: „Unter dem Schock durch eine gewaltige Heuschreckenplage und eine langwährende Dürre kam das „Volk Gottes“ zum Bewusstsein, wie weit sie sich von Gott entfernt hatten – und schlimmer noch, dass Gott sich von ihnen zurückgezogen hatte.“
So ist es mit Bibelworten und -Gleichnissen – sie sind nach Geschmack verwendbar, und so hoffen wir auf „Erbarmen“ mit unserem Volk. Das Wort von der „Heuschreckenplage“ dürfen wir aber im Sinne der Bischofs-Botschaft aber wohl nicht denken.

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