2021 – wieder so ein Gedenkjahr
Am Montag den 21. Juni ging die Eröffnung des „umstrittenen“ (Süddeutsche Zeitung) Dokumentationszentrums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin über die Bühne.
Gelegenheit für unsere Kanzler-Darstellerin Frau Dr. A. Merkel, ihre schlichte, monokausale Geschichts-Sicht zum Besten zu geben, die denn ihrer sonst recht schlichten Geisteskraft und Weltsicht entspricht, gleichwohl aber dem Kanon gültiger historischer „Wahrheiten“ entspricht:
„Ohne den von Deutschland im Nationalsozialismus über Europa und die Welt gebrachten Terror, ohne den von Deutschland im Nationalsozialismus begangenen Zivilisationsbruch der Schoah und ohne den von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg wäre es nicht dazu gekommen, dass zum Ende des Zweiten Weltkriegs und danach Millionen Deutsche Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung erleiden mussten“.
Keiner bezweifelt, dass die bluttriefende Hybris der Führung des nationalsozialistischen Deutschlands ein wesentliches Moment für die brutalen und unmenschlichen Verwerfungen Mitte des letzten Jahrhunderts waren. Doch wie bei so vielen einfachen Erklärungen geht auch manches in der Betrachtung fehl.
Man erinnert in diesen Tagen denn besonders an den Beginn des Krieges gegen Stalins Sowjetunion, der in hiesig politisch korrekter Lesart als „Vernichtungskrieg“ bezeichnet wird. Faktisch durchaus auch zutreffend, aber auch wesentliche wandere Fakten aausklammernd.
Im Zusammenhang mit „Flucht und Vertreibung“ darf man im Gedenkjahr 2021 aber auch andere Ereignisse nicht einfach unberücksichtigt lassen, um nicht einfach Ursache und Wirkung bei den gern den Deutschen aufgeladenen Schuldfragen zu vermengen.
1871 – vor 150 Jahren: Neugründung des Deutschen Reichs
Mit der Gründung des neuen Deutschen Reichs betrat ein neuer Mitspieler die Bühne der bis dahin vorherrschenden Großmächte. Der wirtschaftliche und auch politische und soziale Erfolg des Reichs wurde von den bisherigen Großmächten mit Neid und Argwohn betrachtet.
Dazu einige Stimmen:
1871 bewertet Premierminister Disraeli die Folgen der Niederlage Frankreichs und der deutschen Einigung in einer Rede vor dem Unterhause wie folgt:
„Das Gleichgewicht der Macht ist völlig zerstört worden, und das Land, welches darunter am meisten leidet und die Wirkung dieses Wandels am stärksten empfindet, ist England. „
Die Zeitung Saturday Review 1895
„Wir Engländer haben bisher stets gegen unsere Wettbewerber bei Handel und Verkehr Krieg geführt. Unser Hauptwettbewerber ist heute nicht mehr Frankreich, sondern Deutschland. Bei einem Krieg gegen Deutschland kämen wir in die Lage, viel zu gewinnen und nichts zu verlieren. „
1896 schreibt das gleiche Blatt:
„Wäre morgen jeder Deutsche beseitigt, so gäbe es kein englisches Geschäft noch irgend ein englisches Unternehmen, das nicht zuwüchse. Verschwände jeder Engländer morgen, so hätten die Deutschen den Gewinn. Einer von beiden muß das Feld räumen. Macht Euch fertig zum Kampf mit Deutschland, denn Germaniam esse delendam. „1897:
„ Überall, wo die englische Flagge der Bibel und der Handel der Flagge gefolgt ist bekämpft der deutsche Handelsmann den englischen. Staaten haben jahrelang um eine Stadt oder ein Thronfolgerecht Krieg ge führt; und da sollten wir nicht Krieg führen, wenn ein jährlicher Handel von fünf Milliarden auf dem Spiel steht?“
Von englischer Seite war schon früh klar, wohin der Weg zu gehen hat.
Für Frankreich gab es bekanntermaßen viele Gründe, mit Deutschland abzurechnen: der Verlust Elsaß-Lothringens, Kampf um Kolonien, Neid auf die zunehmende Wirtschafts-,Land- und Seemacht Deutschland mit dem Verlust der eigenen Bedeutung und gekränkter Eitelkeit der jahrhundertealten Führungsnation auf dem Kontinent.
Für Amerika war mit der Wirtschaftsmacht Deutschland ein noch größerer Konkurrent als England im Kampf um die angestrebte wirtschaftliche Dominanz auf dem Globus entstanden.
Von deutscher Seite kamen politische und diplomatische Torheiten auf, die es den Alliierten 1914 dann leichter ermöglichten, erstmals in einen „Vernichtungskrieg“ gegen das Deutsche Reich einzutreten. Vernichtungskrieg – als nichts anderes kann auch der 1. Weltkrieg mit dem Ergebnis von Versailles betrachtet werden.
Großmannssucht traf auf Großmannssucht verbunden mit nationalem Fanatismus – mit fatalen Resultaten
1921 – vor 100 Jahren: Annektion Oberschlesiens durch Polen
Am 20. März 1921 erfolgte die im Rahmen des Versailler Vertrags vorgegebene Volksabstimmung über den Verbleib oder die Ausgliederung von Oberschlesien aus dem Deutschen Reich bzw. Preußen. Das Stimmenverhältnis lautete 59,6 % für Deutschland, 40,4 % für Polen. Dennoch entschieden die Alliierten, das Gebiet dem neuen Staat Polen zuzusprechen.
Bereits vorher mussten nach dem Versailler Vertrag von 1919 große Gebiete (Polnischer Korridor, Freie Stadt Danzig, Memelland) ohne Abstimmung abgetreten werden. Bei früheren Abstimmungen im Jahre 1920 hatten sich im Abstimmungsgebiet Marienwerder im restlichen Westpreußen sowie im Abstimmungsgebiet Allenstein in den südlichen Kreisen Ostpreußens jeweils deutlich über 90 % für einen Verbleib in Deutschland entschieden, dem jedoch ebenfalls nicht entsprochen wurde.
Mit dem neuen Polen entstand ein neuer aggressiver Nachbar des Deutschen Reichs.
1930 schreibt die polnische Zeitschrift MOCARSTWOWIEC (Die Liga der Großmacht):
„ Wir sind uns bewußt, daß Krieg zwischen Polen und Deutschland nicht vermieden werden kann. Wir müssen uns systematisch und energisch für diesen Krieg vorbereiten. Die heutige Generation wird sehen, daß ein neu er Sieg bei Tannenberg in die Seiten der Geschichte eingeschrieben wird. Aber wir werden dies Tannenberg in den Vorstädten von Berlin schlagen. Unser Ideal ist, Polen mit den Grenzen an der Oder im Westen und der Neiße in der Lausitz abzurunden und Preußen vom Pregel bis zur Spree einzuverleiben. In diesem Krieg werden keine Gefangenen genommen. Es wird kein Platz für humanitäre Gefühle sein. Wir werden die ganze Welt mit unserem Krieg gegen Deutschland überraschen.“
1934 läßt die polnische Akademie der Wissenschaften Bildpostkarten drucken, die den Polenkönig Boleslaw Chrobry vor einer Landkarte Polens zeigen, auf der Deutschland mit Ostpreußen, Schlesien, Pommern, der Mark Brandenburg und Lübeck als Westteils Polens zu erkennen ist. Im aufgedruckten Text steht:
„In Polen lebt der Geist von Boleslaw dem Tapferen. Der kleinste Staub polnischen Bodens kehrt wieder zum Mutterland zurück.“
Bis 1939 erfolgte ein ständiges Changieren und internationales Intrigieren der polnischen Regierungen, um weitere Landgewinne zu bewerkstelligen; dem Hitler mit dem „Hiter-Stalin-Pakt“und dem Einmarsch in Polen ein Ende machen wollte.
1941 – vor 80 Jahren: Beginn des „Vernichtungskriegs“ gegen die Sowjetunion
Dieses Datum könnte man unter zwei Gesichtspunkten sehen. Da standen sich mit dem Nationalsozialismus und dem sowjetischen Bolschewismus zwei mörderische Ideologien gegenüber. Und da waren zwei Länder, die sich bedroht fühlten – unabhängig vom Expansionsstreben auf der einen wie auf der anderen Seite.
Politisch korrekt ist die Auffassung, dass Deutschland heimtückisch die friedliche Sowjetunion überfallen habe zum Zweck des Erwerbs von Lebensraum. Wladimir Putin lässt bei diesem „Gedenken“ seine Sicht der Geschichte kolportieren. Die Sowjetunion wird darin als „Friedensmacht“, ihr Diktator Josef Stalin als kluger Schachspieler auf dem diplomatischen Parkett dargestellt, der sich mit der Teilung Polens 1939 nur eine bessere Ausgangsposition für den kommenden Krieg mit dem Aggressor Deutschland verschaffen wollte. Ein Faktum wird aber unterschlagen, nämlich daß Stalin mit seiner Roten Armee bereits seit dem Frühjahr 1941 den zahlenmäßig größten militärischen Aufmarsch der Weltgeschichte veranstaltet hat, mit dem vierfachen an Truppenzahl und einer bis zu siebenfachen Anzahl an Panzern und gepanzerten Fahrzeugen im Vergleich zum deutschen Kriegsgegner. Das sind feststehende Tatsachen, „nicht nur die Ansicht akademischer Einzelgänger oder „Revisionisten“, sondern Standard historischer Forschung.“
Dennoch wurde Russland trotz dieser militärischen Massierung anfänglich überrollt. Doch gleich setzten Hilfslieferungen durch die westlichen Alliierten, vor allem der USA ein, ohne die die Sowjetunion wohl verloren gewesen wäre.
Einschub: 1945 – Konferenz von Jalta und Potsdam
Die Grundzüge der seit langem von den Kriegsgewinnern beabsichtigten Bevölkerungsverschiebungen auf dem Kontinent wurden 1945 in Grundzügen auf der Konferenz von Jalta festgelegt und dann auf der Konferenz von Potsdam verfeinert und in die reale Politik übertragen.
Das Ziel der westlichen Mächte, Deutschland als politische und Wirtschaftsmacht zu zerschlagen, schien seit den Bestrebungen beginnend Ende des 19. Jahrhunderts endlich erreicht.
Stalin war in puncto Gebiets- und Machtgewinn der eigentliche große Gewinner. Er hatte das erreicht, was er schon 1939 und 1941 angestrebt hatte.
1946 – vor 75 Jahren: die Benes Dekrete
Mit dem Untergang der Habsburger Monarchie 1918 entstand mit der Tschechoslowakei ein neuer Vielvölkerstaat im Herzen Europas mit der erträumten Dominanz des angeblich in der Vergangenheit unterdrückten Mehrheitsvolkes der Tschechen. Von den knapp 13 Millionen Einwohner der „CSR“ (1921) waren 3,2 Millionen Deutsche, die überwiegend in den Randgebieten des vormaligen „Böhmen“ lebten. Mit dem Münchner Abkommen wurde die damalige „Tschechei“ zerschlagen und die deutsche Bevölkerung „Heim ins Reich“ geholt und damit der seit 1918 ausgesetzten Unterdrückung durch die Mehrheitsbevölkerung entzogen. Das Pendel schlug zurück. Mit Hilfe der siegreichen Alliierten setzte der 1935 gewählte und während des Krieges selbsternannte Präsident der CSR seine verfasste Dekrete durch, welche die Enteignung und vollständige Vertreibung der deutschen Bevölkerung beinhaltete. Am 28. März 1946 wurden diese von der provisorischen tschechoslowakischen Nationalversammlung gebilligt und umgehend ausgeführt. Aber bereits 1945 hatte es schon „wilde Vertreibungen“ der Deutschen mit Billigung der Alliierten geben. 3,2 Millionen Deutsche mussten 1945/46 ihre seit Jahrhunderten angestammte Heimat verlassen.
Flucht und Vertreibung der Deutschen
Durch das Diktat des Versailler Vertrags hatte Deutschland bis 1923 etwa 13 % seines Territoriums und etwa 11 Prozent seiner Wohnbevölkerung verloren, was in Zahlen ausgedrückt 70 579,36 Qkm und 6,5 Millionen Einwohnern entsprach.
1945 verlor Deutschland 114 296 qkm und damit rund ein Viertel seines Gebietsstandes von 1937.
Stalin setzte sich mit seiner Umvolkungs- und Expansionspolitik durch. Mit den erzwungenen Gebietsabtretungen rückten Polen und die Sowjetunion weiter nach Westen.
Vor dem 2. Weltkrieg lebten mehr als 17 Millionen Deutsche in den östlichen Provinzen, in Polen, den baltischen Staaten, Danzig, Ungarn, Jugoslawien und Rumänien. Am Ende des Krieges befanden sich dann durch Flucht und Vertreibung etwa die Hälfte schon westlich von Oder und Neiße. Doch die Umsiedlungen gingen ja weiter. Zwischen 1944/45 und 1950 waren zwölf bis 18 Millionen Deutsche von Flucht und Vertreibung aus den ehemaligen Ostgebieten betroffen – wobei die Schätzungen von Historikern hier auseinandergehen.
Ich belasse es mal bei den Zahlen, ohne weiter auf das damit verbunden Leid und Elend einzugehen.
1871 bis 2021
Wie ein roter Faden zieht sich seit 150 Jahren das Bestreben unserer näheren und ferneren Nachbarn durch die Geschichte, Deutschland klein und kleiner zu machen.
Immer wieder rappelte sich die Nation auf, bis schließlich das Bemühen der früheren Alliierten einmal mehr dadurch konterkariert wurde, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die neugegründete Bundesrepublik Deutschland nach den USA und Japan zeitweise die drittstärkste Wirtschafts- und Industriemacht der Erde war.
Was den Alliierten nicht gelang, schafft Deutschland besonders seit der Vereinigung mit der sowjetischen Besatzungszone nun selbst. Es schafft sich wirtschaftlich, geistig und kulturell ab – 2021 Finis Germania
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Quellen:
Gerd Schultze-Rhonhoff: „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“ – München 2003
Stefan Scheil: „Fünf plus Zwei.: Die europäischen Nationalstaaten, die Weltmächte und die vereinte Entfesselung des Zweiten Weltkriegs“ – Berlin 2009
Rolf Peter Sieferle: „Finis Germania“ – Schnellroda 2017