Ein Phänomen des Hochmittelalters war der Aufstieg der unfreien Ministerialen zum freien niederen Adel. Die unfreien Ministerialen konnten mangels einer funktionierenden Geldwirtschaft nicht besoldet werden. So konnten sie nicht in Abhängigkeit gehalten werden, wie man es bei Beamten eigentlich tun sollte. Vielmehr erhielten sie Grundbesitz als Belohnung für ihre Tätigkeit. Das war die Grundlage für ihren sozialen Aufstieg. Der Aufstieg der Ministerialen in den Adel ist vergleichbar mit dem Aufstieg der Spitzenmanager des 20. Jahrhunderts zu Unternehmern. Obwohl nur leitende Angestellte werden heute die Top-Manager von sich und vielen anderen als das Vorbild des Unternehmertums angesehen.
Im Hochmittelalter verteidigte der aus der Ministerialität erwachsene niedere Adel seine vermeintliche Position rabiat. Man übernahm eben die Gewohnheiten des hohen Adels. Ein aufschlussreiches Beispiel hierfür ist das ‚Wirken‘ des Würzburger Stiftsministerialen und Lehensmanns Bodo von Ravensburg und seiner Komplizen. Als der Würzburger Bischof Konrad von Querfurt zur Behebung finanzieller Schwierigkeiten des Hochstifts die Stiftsministerialen mit Sonderopfern bedachte, ermordeten Bodo von Ravensburg und sein Bruder den bischöflichen Schutzvogt Eckard, der in Würzburg von dem „Zum Grafen Eckart“ genannten Turm (heute Rathaus) aus seine Geschäfte versah. Da sich Konrad von Querfurt durch diesen Terrorakt nicht einschüchtern ließ, brachten Bodo von Ravensburg und seine Spießgesellen den Bischof kurzerhand um. Man schrieb den 3. Dezember des Jahres 1202.
Nun war Konrad von Querfurt nicht irgendwer sondern einer der bekanntesten Politiker des Reichs, Kanzler unter den Stauferherrschern Kaiser Heinrich VI und König Philipp. Als Führer eines Kreuzzugs hatte Konrad in Akkon die Gründung des Deutschen Ordens bestätigt. Seinem Studienkollegen aus Pariser Tagen Lothar von Segni, nun Papst Innozenz III, war er schon lange ein Dorn im Auge. Innozenz nahm Konrads eigenmächtigen Wechsel vom Hildesheimer auf den Würzburger Bischofsstuhl zum Anlass, diesen gewichtigen Sprecher der Staufermacht und damit Gegner der päpstlichen Omnipotenzbestrebungen zu exkommunizieren. Konrad unterwarf sich dem Papst und entzweite sich damit mit König Philipp. Bodo von Ravensburg nützte die Isolierung des Bischofs, um den Mord ohne ernstliche Folgen durchführen zu können. Ob Bodo nur aus eigenem Antrieb handelte oder auch doloses Werkzeug höherer Macht war – sein Onkel war der Reichsmarschall von Pappenheim – wird ein ungelöstes Rätsel bleiben.
Auffällig ist, dass der Mörder außergewöhnlich schnell vom Papst begnadigt wurde. Er musste zwar ins Heilige Land pilgern, kehrte von dort aber reicher zurück, als er hingekommen war. Die verhängte Buße, z.B. der Abbruch der Ravensburg zwischen Veitshöchheim und Würzburg, wurde nicht bzw. erst viel später nach weiteren Untaten Bodos vollzogen. Der Name „Bodo von Ravensburg“ tauchte nämlich in den nächsten Jahrzehnten nach dem Mord immer wieder auf, wenn in Mainfranken ‚etwas faul im Staate‘ war. Sein wegen des Bischofsmords zunächst eingezogenes Schloss Werneck, eine Wasserburg, befand sich eines Tages wieder in seinem Besitz und ging erst am Ende seines Lebens durch seine Schenkung auf den Deutschen Orden über. Wer glaubt, Bodo habe die Schenkung vorgenommen, um auf dem Totenbett sein Gewissen zu erleichtern, der irrt. Mit der Transaktion wollte er seine Schwäger ärgern, die Anspruch auf den Wernecker Besitz erhoben. So blieb sich Bodo bis zuletzt treu.
Die heutige Marktgemeinde Werneck ehrt ihren großen Sohn, den Bischofsmörder und Terroristen Bodo von Ravensburg mit einem Straßennamen in einem Neubaugebiet. Zeit heilt Wunden.
J.H.