Franken und Thüringen haben etwas Besonderes gemeinsam, nämlich die Liebe, speziell die Liebe zur Bratwurst. Deswegen soll heute beim Historischen Dessert ein liebevoller nachbarlicher Blick auf die Thüringer Bratwurstgeschichte geworfen werden.
Spätestens seit dem „Hämwieh-Gedicht“ des Heimatdichters Anton Sommer (1816 bis 1888) ist die Bratwurst für Thüringen ein Identitätskatalysator. Dieses beliebte Genussmittel schrieb aber schon Jahrhunderte zuvor ein Kapitel thüringischer Kriegsgeschichte: Die Belagerung von Stadtilm wurde 1450 erfolglos abgebrochen, weil die Einwohner den Angreifern ihre Bratwürste entgegen hielten und damit ihre Durchhaltekraft unter Beweis stellten. Die Stadtilmer hatten ihr letztes Schwein geschlachtet und brieten die Würste auf dem Rost, gut sichtbar und riechbar direkt auf dem Wall. Der Trick hatte Erfolg. Die Belagerer wussten nicht, dass die Stadtilmer in Wahrheit mit ihren Vorräten, ihren Kräften und ihrer Weisheit am Ende waren. Die Belagerer hatten auf Aushungern gesetzt. Entmutigt und selbst ausgehungert zogen sie ab. Stadtilm war gerettet.
Diese Episode riecht nicht nur nach Bratwurst sondern auch nach betulich guter alter Zeit. Doch die Zeiten waren damals alles Andere als gut. Sie waren chaotisch. Hintergrund der Belagerung war der wegen Erb- und Territorialzwist ausgebrochene „Schwarzburgische Hauskrieg“ (1447 bis 1451). Zwei der vielen Heinriche dieses Hauses, nämlich Heinrich XXVI. von Schwarzburg-Blankenburg und Heinrich XXV. von Schwarzburg-Leutenberg, zettelten den Krieg an. Gegner war einer der noch zahlreicheren Günther dieses Geschlechts, nämlich Günther XXXII. von Schwarzburg-Wachsenburg. Fast gleichzeitig war unter den Landesherren, den Wettinern, der „Thüringisch-sächsische Bruderkrieg“ (1446 bis 1451) entbrannt. Der niedere Adel befand sich darüberhinaus ständig in Fehden und mischte an allen Fronten mit. Zum Überfluss mussten die Lande schon seit Jahrzehnten mit den Überfällen der böhmischen Hussiten rechnen, erst der radikalen, danach der gemäßigten. Schwere Zeiten für Land und Leute!
Es war der sächsische Kurfürst Friedrich II., seltsamerweise „der Sanftmütige“ genannt, dessen Truppen Stadtilm belagerten. Man streitet, ob es 1800 oder 18000 Mann waren. Einem Chronisten ist da wohl eine Null zu viel oder zu wenig in den Text geraten. Der Kurfürst verbündete sich mit Günther XXXII., der ihm dafür Teile des Schwarzburgischen Besitzes verkaufte. Dies brachte die anderen Schwarzburgischen Linien zur Raserei. Der sächsische Herzog Wilhelm, feindlicher Bruder des „sanftmütigen“ Kurfürsten, schlug sich natürlich auf die Seite der Rasenden. Einer der lachenden Dritten in diesem Chaos war der einmarschierte utraquistische Hussitenführer und spätere Böhmenkönig Georg Podiebrad.
J.H.