Mit Kanzler Konrad ist nicht Konrad Adenauer gemeint, der gerne seinen Urlaub an einem See in Oberitalien verbrachte. Die folgende Geschichte befasst sich vielmehr mit einem mittelalterlichen Berufskollegen unseres ersten Bundekanzlers, mit Konrad von Querfurt, Kanzler der Hohenstaufen-Herrscher Kaiser Heinrich VI und König Philipp. Im Nebenberuf war Konrad von Querfurt Bischof von Hildesheim und Bischof von Würzburg.
Am 3. Dezember 1202 wurde Bischof Konrad in Würzburg spektakulär ermordet, von Stiftsministerialen, also von Untergebenen. Dies wäre beinahe der Jahrhundertmord geworden, wenn ihm nicht kurz darauf – noch spektakulärer – König Philipp, von einem Wittelsbacher gemeuchelt, ins Jenseits gefolgt wäre.
Auch ohne seine Ermordung hätte Bischof Konrad einen bleibenden Platz in der Geschichte Frankens und der Staufer in Europa sowie im Heiligen Land gefunden. Im Bistum Würzburg machen ihn die Gründung von Karlstadt und die Befestigung der Marienburg unvergessen In die Weltgeschichte ging er ein durch seine absegnende Mitwirkung bei der folgenschweren Gründung des Deutschen Ritterordens in Akkon. Die Stauferherrscher bedienten sich seiner nicht nur als Kanzler und sondern auch und vor allem als Legaten für Reichsitalien, Apulien und Sizilien. Bei seinem berüchtigten Streit mit Papst Innozenz III wegen der Besetzung zweier Bistümer zog Bischof Konrad zwar dem Kürzeren, behielt letztlich aber sein Bistum Würzburg. Doch nach seiner Unterwerfung unter den Papst und dem daraus resultierenden Abfall von König Philipp musste Konrad von Querfurt feststellen dass er sich zwischen alle Stühle gesetzt hatte. Seine Mörder nutzten dieses Dilemma auf ihre Weise.
Wenig bekannt ist Konrads von Querfurt literarische Ader. Er war nicht der erste in einer langen Reihe von Deutschen, die ihre italienischen Reiseerlebnisse brieflich festgehalten haben. Freilich konnte niemand vor ihm oder nach ihm so Bedeutendes vermelden wie er. So berichtete er in einem Schreiben, das er 1196 als Kanzler und Legat Kaiser Heinrichs VI in die Heimat schickte, von seinen sensationellen Entdeckungen in Italien(!): dem Olymp, dem Parnass, nicht zu vergessen der Quelle Hippokrene. Das Theater von Tauromenium (Taormina) erkannte er als das Minotaurus-Labyrinth. Zu Schiff erblickte er die Insel, auf der Thetis den Achilles versteckt hatte. Konrad freute sich ganz unbekümmert, dass diese antiken Stätten nun in den (damaligen) Grenzen des deutschen Reichs lagen. Vor allem aber fand Kanzler Konrad das Grab und die Gebeine Virgils. In Sizilien stieß er sogar auf die Sarazenen, die die vom Apostel Paulus ererbte Fähigkeit besaßen, durch bloßes Ausspeien Giftschlangen zu töten.
Man irrt, wenn man in Konrad einen Vorläufer Petrarcas in der Suche nach der Antike oder der Natur erblickt. Konrad von Querfurt war ein Kind seiner Zeit. Ihn interessierten nicht die Natur sondern die Übernatur, das Wunder, die Zauberei. Virgil kannte er nicht als römischen Klassiker sondern als großen Magier. Von den Wundern Virgils will er sich sogar durch eigenen Augenschein überzeugt haben. Als Augenzeuge bekundete er ferner, dass sich der Himmel verfinsterte, als die Gebeine Virgils ans Tageslicht gebracht wurden. Die von ihm gefundenen Stätten betrachtete Konrad als Zentren der Zauberei.
Es ist höchst amüsant sich auszumalen, wie die Einheimischen in Italien dem mächtigen Mann aus dem Norden einen Bären nach dem anderen aufgebunden haben.
J.H.