Die Geldpresse

Im Rahmen der Renovierung des Gasthofs, Anfang der Fünfziger, wurde auch die Eingangstüre aufgemöbelt und mit einem kräftigen sogenannten „obenliegenden, hydraulisch gedämpften Türschließer“ – so heißt es in der Fachsprache – versehen. Das waren massive Eisenzylinder, silbern bronziert, welche oben auf die Türen geschraubt wurden und durch ein Hebelwerk mit dem Türrahmen verbunden waren. Beim Öffnen der Tür musste man da freilich etwas mehr Kraft aufwenden als sonst.

Wenn in Pegnitz Schweinemarkt war, verirrte sich gelegentlich der eine oder andere Bauer, der nicht unbedingt mit meinem Vater Geschäftsbeziehungen hatte, in den Stern. Ein abgeschlossener Handel am Schweinemarkt musste begossen werden.

Ein etwas „schmuchtiges“ Bäuerchen hatte offensichtlich Mühe, die Haustüre aufzubringen, um ins Gasthaus zu gelangen. Als er nach der Ursache forschte, entdeckte er den Apparat.

So was hatte er wohl noch nie gesehen und das ließ ihm keine Ruhe. Nach dem ersten kräftigen Schluck Bier traute er sich denn, meinen Vater zu fragen, was das für ein merkwürdiger Apparat da sei, der ihm beim Türöffnen eine unübliche Kraftaufwendung abverlangte.

Mein Vater erklärte: „Das ist a Pfennig-Press!“.

Der Bauer kriegte große Augen: „Gibt´s net!“

Doch, jedes Mal wenn die Tür aufgemacht wird, wird oben ein neuer Pfennig gepresst. Wart mal, ich leer die Maschin´ eben mal aus.“

Mein Vater ging nach draußen und kam mit einem Sack, vollgefüllt mit 500 nagelneuen Pfennigstücken, zurück. Die hatte er gerade bei der Sparkasse geholt, denn bei den verqueren Bierpreisen damals und dem verbreiteten Geiz – gerade unter den bäuerlichen Gästen – brauchten die Bedienungen immer reichlich Pfennige für Rück- und Wechselgeld.

Als Beweis schüttete er nun die Pfennige vor dem Bauern auf den Tisch. Dessen Augen wurden bei der frisch glänzenden Pracht noch größer. Generös sagte dann mein Vater: „Damit´st mir´s glaubst, schenk ich Dir an Pfennig, hab genug und Du hast mir ja gerade eben einen gepresst.“ Sprachs, gab ihm einen der Pfennige und sackte dann die restlichen wieder ein.

Da wurde der Bauer irgendwie eigentümlich still, trank hastig sein Bier aus, zahlte – bekam zwei glänzende neue Pfennige als Rückgeld – und verschwand grußlos.

Eine halbe Stunde später stand er wieder in der Gaststube. In seinem Gefolge der Schwindels Max, einer der damaligen Stadtpolizisten, die in jener Zeit noch in schmuckem Blau gekleidet waren. Der wusste, dass der Sternwirt ein Schlitzohr ist, und wollte es sich nicht nehmen lassen, vor Ort die Anzeige wegen „illegalen Münzpressens“ zu bearbeiten.

Das ist der Gauner“, sagte der Bauer, als er meinen Vater sah.

Der Gendarm dankte dem Bauern für seine Wachheit gegenüber dem Verbrechen. Er versicherte ihm, dass die Angelegenheit in besten Händen sei und auch strengstens verfolgt werde. Damit war es der „Schmuchtige“ zufrieden und verschwand.

Nach dieser amtlichen Einleitung ließ sich der Schwindels Max eine Halbe einschenken, denn es war ja auch gerade Vesperzeit. Er bekam dann natürlich als Rückgeld ebenfalls zwei „frisch gepresste“ Pfennigstücke – die durfte aber dann die Bedienung als Trinkgeld wieder einstreichen.

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Nebenbei:

In Bayern war bis April 1958 der Bierpreis staatlich festgelegt. Die letzte Bierpreiserhöhung hatte es 1953 gegeben und seither kostete die Halbe in Bayern im Durchschnitt 63 Pfennig. Nach dem Wegfall der staatlichen Bierpreisbindung sank der Preis für die Halbe im selben Jahr sofort auf 59 Pfennig. Gemäß den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft regelten nun auch beim Bier Angebot und Nachfrage den Preis.

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