Von der schönen blauen Donau an die Itz

Johann Strauß und Coburg

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Wenn man vom Walzerkönig spricht, denkt man an die „Schöne blaue Donau“, an „Wiener Blut“, aber nicht unbedingt daran, dass Johann Strauß (Sohn) 1889 als Coburger Bürger, Deutscher – nicht als Österreicher – verstarb.
Wie kam Strauß von Wien nach Coburg? Von der Donau an die Itz?
Natürlich der Liebe wegen.
Nicht dass Strauß sich in das Residenzstädtchen zu Fuß der berühmten Veste verliebt hätte. Nein, es war ein schnöder, für katholische Franken* oder Katholiken überhaupt, ein sündiger Grund.
Der protestantische Fürst des Herzogtums Sachsen-Coburg Gotha, Herzog Ernst II., ermöglichte gemäß des in seinem Fürstentum geltenden Eherechts dem Walzerkönig, die Scheidung von seiner untreuen und ungeliebten zweiten Gattin Angelika. Damit konnte er dann seine geliebte Adele, sinnigerweise eine geborene Deutsch, ehelichen.
Strauß war insgesamt dreimal verheiratet. Seine erste Ehefrau Henriette, auch bekannt als Jetty Treffz, starb 1878. Schon wenige Wochen später heiratete er die Schauspielerin Angelika Dittrich, die ihn 1882 wegen eines Impressarios und Theaterdirektors verließ.
Im selben Jahr wurde zwar schon die Ehe „von Tisch und Bett“ geschieden, eine echte Scheidung war aber nicht möglich, da in Österreich das katholische Eherecht auch im bürgerlich-rechtlichen Bereich galt.
Um erneut heiraten zu können gab Strauß 1886 die österreichische Staatsbürgerschaft auf und wurde Staatsbürger des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha und damit Deutscher.
Damit konnte nach dem für Deutsche geltenden Eherecht die Ehe mit Angelika bürgerlich-rechtlich getrennt werden.
Das ermöglichte ihm 1987 Herzog Ernst II von Coburg.
Strauß heiratete im selben Jahr in Coburg seine Adele, die als Ehefrau damit ebenfalls Deutsche wurde. Beide waren überdies vorher zum evangelisch-lutherischen Glauben übergetreten. Die sogenannte kirchliche Trauung fand dann auch in Coburg in der Hofkapelle des Schlosses Ehrenburg statt.
Das Paar verlebte zwölf glückliche Jahre – so sagt man – in Coburg.
Über diese deutsch-österreichische Staatsangehörigkeits- und Ehe- und Kultur- Affaire existieren denn auch etliche briefliche Dokumente:
Johann Strauß an den Coburger Magistrat:

„Verehrliher Magistrat!
Besondere Verhältnisse machen es mir wünschenswerth mein  Heimathrecht in der Stadt Wien aufzugeben und das deutsche Reichsbürgerrecht zu erwerben. Zu diesem Behufe wünsche ich mich für die Zukunft in der freundlichen Stadt Coburg unter der Regierung des kunstsinnigen Herzogs Ernst niederzulassen … Hiermit erlaube ich mir gehorsamste Bitte auszusprechen, dass der verehrliche Magistrat mir das Bürgerrecht der Stadt Coburg gütigst verleihen … möge.“

Johann Strauß an seine Adele

„Geliebtes Herz! Was thut man nicht alles für ein Weib! Was ich an einem Tag ausgestanden können andere nicht in Jahren! … Gleich nach meiner Ankunft war ich mit Trutter beim Oberbürgermeister, ferner bei dem Oberjustizrath und schließlich bei dem Obermagistratsbeamten, welch letzterer meine schriftliche Bestätigung abnahm, dass ich in Coburg Wohnung genommen und als Coburger Bürger daselbst verbleiben werde. Du kannst Dir vorstellen, wie schwer es mir gefallen, gleich nach Ankunft und rasch gewechselter Toilette diesen Obliegenheiten zu folgen.“

Johann Strauß an seinen Rechtsanwalt Trutter:

„Bitte Deiner lieben Frau zu melden, dass ich Coburg eigentlich im Ganzen und Großen herzlich fad finde – die Luft, Temperatur bisher sehr abkühlend wirkt, doch vertreibe ich mir die Grausbirn mit Gut-Essen, Gut-Trinken, viel-Schlafen und lasse in meine Partitur echte österreichische Juchezer insgeheim einfließen. In unseren Kerker eingeschlossen, um sonst nichts uns kümmernd, verleben wir die Tage in dem von Kindern gesegneten Coburg.“

Und dann – Johann Strauß an seinen Bruder Eduard:

Adele und ich kehren gern nach Wien zurück, auch wenn wir jetzt Deutsche sind. Ungern aber doch werden wir Coburg verlassen, wo uns soviel Gutes angetan ward. Der gute Herzog wird uns sehr vermissen, wir ihn aber auch. Wenn es mir noch vergönnt ist, will ich mit der Kapelle nach Coburg reisen und dorten concertiren, vor dem Herzog und für Coburg. Nie hätte ich gedacht, dass ein Stückchen meines Herzens in dieser Stadt bleiben wird, wo ich sie doch erstens nicht konnte leiden. 

Johann Strauß starb als Deutscher und als Coburger Bürger am 3. Juni 1899 in seinem Haus in der Igelgasse in Wien an einer Lungenentzündung.
Aus einem Nachruf auf Johann Strauß:
Immer warst Du auf der Suche nach dem Glück, jenem Glück aber , das nur Dir gehört. In Wien hast Du es gefunden, in Coburg wurde es vollendet. Die Weltstadt und die Welt hast du mitgeformt – die kleine Residenz verhalf Dir zur letzten, zur schönsten Form.
Strauß hatte dem Herzog Ernst II. zum Teil in Coburg komponierte Werke, die komische Oper „Ritter Pazmann“ und die Operette „Simplicius“, gewidmet und einige Walzer und Polkas für andere Mitglieder des Herzoghauses – unter anderem für Prinz Albert und Queen Victoria – geschrieben.
Und da Strauß als Deutscher in die Ewigkeit einging, war diese Tatsache für die „Deutsche Johann-Strauß-Gesellschaft“ Anlass, ihren Sitz in Coburg einzurichten.


Was wäre ein „Dessert“, wenn es nicht gelegentlich durch würzige Beigaben gehaltvoller gemacht würde. Und so sei in diesem Zusammenhang ein kleiner historischer Beitrag zum Thema „Ehe und Scheidung“ in deutschen (und fränkischen*) Landen erlaubt:
Coburg ist seit der Reformation erz-protestantisches Gebiet. Luther weilte 1530 einige Monate auf der Veste unter dem Schutz des bereits konvertierten Landesherren; und darauf ist man heute noch in Coburg stolz.
Luther hatte schon früh die Sakramentalität der Ehe in Abrede gestellt, sah in ihr ein „weltlich Ding“ und erlaubte die Wiederverheiratung im Falle einer Scheidung, z.B. wegen Ehebruchs.
In einem seinerzeit als skandalös anzusehenden „Beichtrat“ an den Landgrafen Philipp von Hessen, einem bis dahin mächtigen politischen Verfechter der Reformation, hatte er dessen Doppelehe mit Christine von Sachsen und mit dem Hoffräulein Margarete von der Saale im März 1540 zugestimmt.
An diesem „Beichtrat“, in dem Luther die fürstliche Bigamie erlaubte und rechtfertigte, war Philipp Melanchthon eingehend beteiligt.
Dieser „theologische Skandal“ wurde erst 128 Jahre später bekannt und veröffentlicht.
Aber allein das Gerücht über die Bigamie des Landgrafen führte schon bald zu einer Schwächung der protestantischen Sache, insbesondere des Schmalkaldischen Bundes.
Melanchthon war über diese seine Abweichung von Christi Gebot gar „psychosomatisch krank“ geworden – wie man heute sagen würde – und nur Luthers „Gebete“ konnten ihn angeblich wieder heilen.
Dennoch ist die Lutherische Auffassung zur Ehe von der protestantischen Obrigkeit nur zu gerne als Recht eingesetzt worden. Und was dem Landesherren gestattet wurde, sollte dann auch dem Volk zum Recht werden.

G.E.
Coburg gehörte bis zur Reformation zum Bistum Würzburg.
1918 endete die protestantische Fürstenherrlichkeit in Coburg.1919 optierten in der ersten freien Volksabstimmung in Deutschland über 88 Prozent der Wähler gegen den Zusammenschluss des bisherigen Freistaates Coburg mit dem Land Thüringen.
Somit kam Coburg am 1. Juli 1920 zum Freistaat Bayern, wurde fränkisch – genauer „oberfränkisch“.

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