„Den Weikard hat der Teufel geholt“

Der philosophische Arzt

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Doktor Melchior Adam Weikard aus Römershag, heute Stadtteil von Bad Brückenau, war einer der Prominentenärzte und prominentesten Ärzte im späten 18. Jahrhundert: Leibarzt des Fuldaer Fürstbischofs, Hofarzt der Zarin Katharina, Rufe an die Höfe in Dresden, Prag und Wien. Begonnen hatte er sein Wirken in Brückenau als Brunnenarzt. Dort starb er auch 1803 nach einem ruhelosen Leben. Nach seinem Tod verschwanden seine gesondert aufbewahrten Eingeweide auf unerklärliche Weise. Da Weikard ein berüchtigter Freigeist war, wusste der Volksmund sofort, was passiert war: „Den Weikard hat der Teufel geholt.“
Nirgendwo hatte es Weikard lange ausgehalten. Grund war sein freches Mundwerk. Beinahe wäre er nach Sibirien verbannt worden. Er mokierte sich in St. Petersburg nämlich über den Tod des durch Tisch und Bett geschwächten Favoriten der Zarin Lanskoi und schrieb von der Reise der Kaiserin durch den Süden Russlands satirische Briefe über die Potemkinschen Machenschaften.
Den Ruf als Freigeist begründete sein berühmtestes literarisches Werk „Der philosophische Arzt“. Vielerorts wurde das Buch verboten. Es enthält das philosophische Credo Weikards, das Ja zum Vorrang des Geistes, den „Hass gegen Unwahrheiten, Vorurteile und Aberglauben“. Das war zwar keine originelle Philosophie, sondern Rationalismus auf einfachsten Nenner gebracht. Es genügte aber seinen Gegnern, um ihn sogar als Illuminaten oder Jakobiner abzustempeln. Trotz hehrer Worte über Gott und die sittliche Welt ist „Der philosophische Arzt“ ein unglaubliches Sammelsurium aus populär-medizinischen Meinungen, Anekdoten, Aphorismen, Anzüglichkeiten und völkerkundlichen Raritäten, durchsetzt mit scharfer Kritik, Polemik und Witz. Es ist die brillante Prosa, die heute noch fasziniert.
Für jeden Abreißkalender wäre „Der philosophische Arzt“ eine Fundgrube flotter Sprüche. Hierzu einige Kostproben: „Der Europäer malt den Teufel schwarz, der Neger weiß“, „Das Barometer dieser Denkungsart ist im Unterleib“,
„Nero und Wenzeslaus fanden ihr Vergnügen in den Exekutionen des Scharfrichters, eine bürgerliche Geburt und Erziehung hätte sie zu guten Metzgern und Holzhackern gemacht“, „Alsdann verkauft der Caraibe sein Bett und erinnert sich erst, wenn es Nacht ist, dass er keines hat“ oder „Mancher Arzt glaubt gar, dass sich die Welt mit Pillen zurechtbiegen ließe“.
J.H.

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