Deutschland – Das Land der Kultur

Als Marcel Reich(-Ranicki) 1929 – er war kaum neun Jahre alt – aus seiner polnischen Geburtsstadt Wloclawek von seiner Familie nach Berlin geschickt wurde, verabschiedete ihn seine Mutter mit den Worten: „Du fährst, mein Sohn, in das Land der Kultur.“
Wer diese Worte hört und liest, fragt sich heute unvermeidlich:

Was ist daraus geworden?

Ich nehme mal die Person von Reich-Ranicki als „Aufhänger“ für meine Betrachtungen, auch wenn so mancher Vorbehalte gegen ihn haben mag.
Reich-Ranicki besuchte zunächst das Werner-Siemens-Realgymnasium, Vorläufer der sog. Oberrealschule, aus der später das „Mathematisch-Naturwissenschaftliche- Gymnasium“ hervorging.
Nach der Auflösung des Siemens-Gymnasiums, das wegen seiner Reformorientierung den Nazis ein Dorn im Auge war, trat R.-R. 1935 in das (heute ebenfalls nicht mehr existente) Fichte-Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf über, wo er auch das Abitur ablegte.
Der Jude Reich-Ranicki erlebte die Brutalität der Nazis hautnah. Zunächst „subtil“ und beginnend mit dem Ausschluss von Schulveranstaltungen, dann Studienverbot und schließlich Ausweisung nach Polen, wo er dort ab 1940 bis 1943 im Warschauer Ghetto dem täglichen Terror und Drohung der Deportation in ein Vernichtungslager ausgesetzt war. Mit viel Glück entkamen er und seine Frau zunächst der unmittelbaren Bedrohung.
Trotz dieser persönlichen, existenziellen Erfahrungen und Bedrohungen – es wurde nahezu seine ganze Familie ausgerottet – fand und behielt R.-R. nicht nur seine geistige Heimat in der deutschen Kultur und der Literatur. Auch wenn er schreibt, dass er „kein eigenes Land, keine Heimat und kein Vaterland“ hat, seine Heimat sei im Letzten die Literatur gewesen.
Auch während der Nazi-Barbarei in Deutschland blieb das reichhaltige klassische Kulturleben in Deutschland weitgehend erhalten, wenn auch unter nicht wenigen ideologischen Restriktionen. Theater und Konzert gaben den Zivilisierten und Bürgerlichen noch einen gewissen Halt und Hoffnung in diktatorischen Zeiten. Reich-Ranicki besuchte Theateraufführungen mit Gustav Gründgens, Konzerte und Opernaufführungen mit Wilhelm Furtwängler und anderen Großen der Musik und des Theaters. Thomas Mann, der sich von der NS-Herrschaft öffentlich distanziert hatte, wurde nicht nur in literarischer, sondern auch in moralischer Hinsicht ein Vorbild für ihn.

Die Kulturszene heute

Was würde R.-R. zur heutigen „Kulturszene“ sagen? Da „Demokraten“ per Gesundheitsdekreten Theater, Opernhäuser, Konzertsäle dicht machen und Künstler zum Nichtstun verurteilen und ihrer Existenz berauben. In einem Land, das pro Fläche und Kopf und absolut immer noch die meisten derartigen Kultureinrichtungen wie auch Museen weltweit besitzt.
Und dazu gibt es unter verbliebenen deutschen Literaten von möglicherweise Weltgeltung (gibt es die überhaupt noch?) keinen einzigen, der wie einst Thomas Mann sich gegen das Regime äußert und den undemokratischen Wahnsinn thematisiert. Der gegen Zensur und Meinungsterror aufsteht, wie vielleicht noch ein Tucholsky oder Kästner. Auch die „Kleinkunst“ liegt darnieder, ein echtes politisches Kabarett existiert schon länger nicht mehr, mit Ausnahme von wenigen kritischen, sog. Comedians. Der öffentliche Rundfunk und die meisten Zeitungen verbreiten Propaganda im Sinn der Regierenden und Corona-Ermächtigten, bei der ein Goebbels vor Neid erblassen würde.
Das deutsche Bildungswesen ist von der Grundschule bis hin zu den Universitäten einem leistungsfeindlichen, gleichmacherischen internationalistischen Prinzip unterworfen worden, in dem Hochschulabsolventen nicht mal mehr die Muttersprache beherrschen geschweige denn einen literarischen Kanon verinnerlicht haben. Ein heutiger Hochschulabsolvent mit „Reifeprüfung“ würde nicht mal mehr eine Volksschule im früheren Deutschen Reich, der frühen Bundesrepublik oder auch der „DDR“ mit Erfolg überstehen können. Ausnahmen bestätigen vielleicht die Regel.

Das Bürgerliche

Reich-Ranicki kam aus einer vorwiegend bürgerlich geprägten Lebenswelt – polnisch, deutsch und jüdisch – und wurde als Neunjähriger in die anscheinend „reichere“ Kulturwelt nach Deutschland entlassen.
Das Bürgerliche – den Nazis wie den heutigen „Antifaschisten“ ein Verhasstes – hat ihn geprägt und gehalten.
„Bürgerlich“ war und wurde bei den Nazis wie bei ihren Epigonen im Geiste, den 68ern, eine stigmatisierende, abschätzige Metapher.
Fast die gesamte (bundesdeutsche) Kulturwelt wurde von dem Geist der brutal- und vulgär-linken, anti-bürgerlichen, 68er-Gesinnung ergriffen. Am perfektesten verstanden es die Grünen, nach anfänglicher offen zur Schau getragenen Öko- und Lebensstil-Radikalität, sich ein (schein-) bürgerliches Mäntelchen umzuhängen. Für sie gilt unumwunden das Bibelwort von den falschen Propheten (Mathäus 7,15), „die kommen in Schafsgewanden, aber inwendig sind sie reißende Wölfe!“.

Die Grünen sind die Vertreter der Antikultur, neben vielen anderen die hauptsächlichen Betreiber des Untergangs des Kulturlandes Deutschland.
Nichts ist an den Grünen „bürgerlich“. Eine „Kanzlerkandidatin“ deren höchster Leistungsgipfel eine Meisterschaft im Trampolinspringen war, welche ihre Zunge nicht im Griff hat, die nie ein öffentliches Amt – ehren- oder hauptamtlich – ausgeübt hat, der jeglicher Nachweis von Gebildetheit oder Bildung abgeht. Wobei sie nicht allein steht, eher typisch ist unter den Repräsentanten des neuen Deutschland und ihrer politischen Camarilla.

Ich weiß nicht, wie sich Marcel Reich-Ranicki zu gegenwärtigen Situation äußern würde. Wohl würde er sich anti-AfD äußern. Ich bin mir aber auch sicher, dass er für einen Uwe Tellkamp oder Monika Maron eintreten würde, die von einer herrschenden Rest-“Kulturszene“ zu Außenseiter erklärt wurden.
So einer wie Reich-Ranicki fehlt heute; der deutsche Kultur und Literatur vom Nibelungenlied bis zu den Buddenbrooks verinnerlicht und verarbeitet hat und den Deutschen dazu Wesentliches weiterhin sagen könnte. Der Erinnerung als Auftrag in der Kultur vermitteln kann – auch in „Mainstreammedien“ noch an „das Land der Dichter und Denker“ erinnert und erinnern kann.
Aber es sind nicht nur solche Personen, die uns heute fehlen. Wir Bürger – klein oder groß – müssten uns mehr äußern, wenn uns unser Land der Kultur – unsere Kultur – mehr und mehr geraubt wird. Und nicht nur das.


Satire kann bitter sein, aber wie weit entfernt von einer baldigen Realität ist das eigentlich:

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2 Antworten zu Deutschland – Das Land der Kultur

  1. Elisa sagt:

    „Satire kann bitter sein, aber wie weit entfernt von einer baldigen Realität ist das eigentlich“

    Benjamin-Gunnar Cohrs, Dirigent, Musikforscher und Publizist:
    h ttps://www.rubikon.news/artikel/kultur-im-todeskampf

    „… Machen wir uns nichts vor: Wenn die jüngste Novelle zum Infektionsschutzgesetz („Corona-Notbremse“) vor Gerichten Bestand haben sollte, bedeutet dies den endgültigen Todesstoß für die Kultur. Denn kein Veranstalter, keine Kultureinrichtung könnte mehr seriös planen, wenn Lockdown-Maßnahmen wie Schließungen völlig unberechenbar ein- und ausgeschaltet werden können. Zumal die Novelle ja leider nicht vorsieht, das Kultureinrichtungen und Veranstaltungsorte automatisch wieder öffnen dürften, wenn die Positiven-Meldequote von 100 dauerhaft unterschritten wird …“

    • Elisa sagt:

      nachtrag, ergänzend zu obigem link
      (transhumanismus, im artikel „kultur im todeskampf“ angesprochen):

      h ttps://www.zukunftsinstitut.de/artikel/transhumanismus-die-cyborgisierung-des-menschen/
      h ttps://www.zukunftsinstitut.de/das-team/

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