Was gleicht wohl auf Erden … der deutschen Sprache

Ein Loblied auf unser Deutsch

„Wer die deutsche Sprache beherrscht,
wird einen Schimmel beschreiben
und doch das Wort „weiß“ vermeiden können.“
Kurt Tucholsky


Deutsch ist (neben Russisch) die am meisten gesprochene Muttersprache in Europa und gehört zu den zehn am häufigsten gesprochenen Sprachen der Welt.
Deutsch wird noch immer von gescheiten Völkern in den Schulen gegenüber anderen als zu erlernende „Fremdsprache“ bevorzugt. Dann, wenn es um die Wertigkeit der eigenen Sprache im Kontext zu anderen, wenn es um „Kultur“ geht. Nicht etwa wegen der geschmähten, historischen deutschen Kolonisierung des „Ostens“ hat Deutsch bei gebildeten Polen, Russen, bei Balten und Finnen eine unveränderte Geneigtheit. Nebenbei: Die erste dichterische und „Weltsprache“ der Juden war Jiddisch, ein deutscher Kulturdialekt.

Man meint, im Vergleich zu den romanischen Sprachen, die Deutsche Sprache sei „hart“. Wenn man mit ihr richtig umgeht, kommt sie sanft und melodisch daher. Nicht schnarrend, kommissmaulig, preußisch. Nicht umsonst ist denn das Oberdeutsche, die süddeutsch-österreichisch gefärbte Redeweise das bevorzugte Merkmal auf den Bühnen und in den „Lichtspielen“. Aber wie sagte Theaterdirektor Striese im „Raub der Sabinerinnen“ zu einer Bewerberin im besten Sächsisch und wer mag da nicht schmunzeln: „Sagen´se ma, sie sprechen so unnatürlich, sind se och beim Theater?“
Auch wenn sich die Hannoveraner auf ihr geschliffenes „Hochdeutsch“ etwas einbilden, der bedeutendste deutsche Sprachbildner und -Schöpfer, Martin Luther sprach gewiss kein Hochdeutsch, sondern einen Dialekt, den man wohl zwischen Sächsisch, Thüringisch und Fränkisch einordnen könnte. Und die „sächsische Kanzleisprache“ war die Schrift-Grundlage für das von Luther dann darauf aufgebaute „Hochdeutsch“ – besser gefällt mir „Oberdeutsch“.

Deutsch zu beherrschen, es in all seinen Facetten zu erlernen, ist nichts für Dumme oder Bequeme. Leider beherrscht Dummheit auch unser eigenes Land, Bequemlichkeit und Vergnügen werden als Lebensinhalt propagiert. So muss man hierzulande manchmal um unsere „hohe Sprache“ fürchten.
Die deutsche Sprache besteht aus etwa 5,3 Millionen Wörtern – das ist Weltrekord – und Tendenz steigend. Ein Drittel davon ist erst in den letzten 100 Jahren dazu gekommen. Das Deutsche kann auf 8-mal so viele Wörter zurückgreifen, als es im Englischen, der führenden Weltsprache gibt. Natürlich werden im Alltag viel weniger Wörter tatsächlich verwendet. Nur etwa 12.000–16.000 gehören zum aktiven Wortschatz einer Person, die Deutsch spricht. Davon sind etwa 3.500 Wörter Fremdwörter. Es gibt keine Sprache, die derart in der Lage ist, „moderne“, fremdländische Redewendungen – früher aus dem Französischen, heute aus dem Englischen – zu integrieren, ohne selbst seine Eigenart einzubüßen. Daran wird auch die zunehmende Verwendung von Unterschichten- oder Kanak-Sprache in den modernen Medien nichts grundlegend ändern.
Damit wird sie aber nicht mehr zu einer „Lingua Franca“ wie Englisch werden. Einst war Deutsch dies in der naturwissenschaftlichen Forschung und in der Philosophie. Wie vormals Französisch in der Diplomatie und als Sprache der Fürstenhöfe.
Dem Bedeutungsverlust kann man nachtrauern, aber es bleibt uns dieser riesige Kosmos einer Sprache, die beispielgebend war und ist für Geisteskraft und Schöpfertum. Und wer z.B. in der klassischen Musik eine internationale Karriere anstrebt, da etwas erreichen will, kommt auch heute noch an Deutsch nicht vorbei.

Deutsch ist eine besonders reichhaltige Sprache. Durch die Möglichkeit, Wörter zusammenzusetzen, wie zum Beispiel „Wehrdienstverweigerer“ oder „Weltmeisterschaftseröffnungsspiel“, ist unser Wortschatz theoretisch unendlich groß. Aufgrund dieser Wortzusammensetzungen lassen sich auch Mehrdeutigkeiten hervorragend ausdrücken, wie zum Beispiel „Geisterfahrer“ oder „Gedankenfreiheit“.
Mark Twain war der deutschen Sprache in Hassliebe verbunden und äußerte ätzend:

„Meine philologischen Studien haben mich davon überzeugt, dass ein begabter Mann Englisch (ausgenommen Rechtschreibung und Aussprache) in dreißig Stunden lernen kann, Französisch in dreißig Tagen und Deutsch in dreißig Jahren. Es liegt also auf der Hand, dass die letztgenannte Sprache gestutzt und ausgebessert werden muss. Wenn sie so bleiben sollte, wie sie ist, müsste man sie sanft und ehrerbietig bei den toten Sprachen absetzen, denn nur die Toten haben Zeit, sie zu lernen.“

Seinen Respekt und auch Sympathie für die deutsche Sprache brachte Twain aber dann dadurch zum Ausdruck, dass er auf dem Grabstein seiner 1904 verstorbenen Frau Olivia den deutschen Spruch: „Gott sei Dir gnädig, O meine Wonne“ eingravieren ließ.

Ich habe mir zur täglichen Erbauung einen Abreißkalender (Englisch: „Tear-off calendar“, Französisch: „Calendrier de détachement“, Italienisch: Calendario a strappo, Polnisch: „Kalendarz z możliwością odrywania“) zugelegt: „Mit dem Grimmschen Wörterbuch durchs Jahr“. Kann ich nur empfehlen; oder das ein oder andere Mal auf der digitalen Ausgabe des „Deutschen Wörterbuchs von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm“, dieses umfangreichsten Wörterbuches einer Kultursprache nachzuschauen:
http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB
Eine Reise – nicht nur zurück – in das wunderbare Universum unserer unvergleichlichen Sprache. Und gleichzeitig ein Lehrstoff nicht nur für Sprach-Geschichte.
Die deutsche Sprache wird jegliche Verhunzung durch „gerechte“ oder gegenderte Sprache überstehen. Wir müssen sie nur pflegen und „polieren“.

Ein „emoji“, ein „Bildsymbol“ auf einer virtuellen Schreibmaschine anzuklicken, bei den neuen, vielfältigen Boten-Diensten, ist einfacher, als sich Gedanken über ein treffendes Wort zu machen.
Altmodische Leute wie ich, schreiben noch für Belangreiches, das sie Familienmitgliedern, Freunden oder anderen wichtigen Menschen mitteilen möchten, noch mit einem altmodischen Schreibgerät per Tinte auf erlesenes Papier, „kuvertieren“ und versehen dies mit einem Postzeichen und bringen es selbst zu einem dieser gelben Kästen – welche es hoffentlich auf ewig geben möge. Das ist angesichts von „Email“, „Whatsapp“, „Twitter“ etc. „Zeitverschwendung“ – möchte man meinen.
Ja, es dauert länger, bei dieser Art der altertümlichen Verständigung das passende Wort, die zutreffende Ausdrucksweise zu finden.

Ich danke meinem Schöpfer, dass er mir in meinem Alter das Gedächtnis erhalten hat. Und es ist anscheinend ein Gottesgeschenk für das Alter, dass vermeintlich Vergangenes immer deutlicher in der Erinnerung aufscheint. Ich kann nicht mehr die einst in der Schule oder durch einen Vortrag meiner Mutter kennengelernten, teilweise auswendig gelernten Gedichte wortwörtlich wiedergeben – “rezitieren“ wie man sagt. Eine Leistung, die ich bei meiner Mutter und dem ein oder anderen älteren Freund und Mentor bewundern konnte. Die Worte, der Klang und der melodische Fluss, die Musik der Muttersprache und deren Wörter, die man mir vermittelte, sind unvergessen.
Ich hatte das Glück, eine ausgezeichnete Schule besuchen zu können, mit vortrefflichen Lehrern. Und Glückspunkte in meiner Erinnerung an die einstigen Belehrungen sind die Texte, Lyrik oder Prosa, die uns damals im Deutschunterricht vermittelt wurden. Womit eine Saat gelegt wurde, die lebenslang Früchte trägt.

Ein umfangreicher Anteil unserer nicht gerade kleinen Haus-Bibliothek – meiner und die meiner Frau – enthält jede Menge von Bänden unserer Klassiker. Und vor allem auch Gedichtbände: von Gryphius bis Brecht, von Johann Christian Günther bis Rainer Kunze (Zwei, welche ich besonders schätze), von Walther von der Vogelweide bis Rainer Maria Rilke. Natürlich Goethe, Heine, Schiller, Trakl, Benn und vieles mehr von diesen wunderbaren Brunnen unserer Sprache.
Welches ist mein Favoriten-Gedicht? „Der Leopard“ von Rilke? „Die Bürgschaft“ von Schiller, Goethes „Ein Gleiches“? Ich habe mal drei wunderbare Gedichte ausgesucht:

Wie klein wird man, wenn man für eine verzweifelte Liebe nach kunstvollen Worten sucht und findet sie hier – bei Johann Christian Günther, dem jung verstorbenen Barockdichter:

Bis die schwere Zunge stammelt,
Bis mich ein gedrungnes Haus
Zu der Väter Beinen sammelt,
Sprech ich deinen Namen aus;
Deine Schönheit, dein Gemüte,

Deine Tugend, deine Güte
Soll mit mir zu Grabe gehn.
Dich nur nochmals zu umfangen,
Will ich, wenn die Welt vergangen,
Wieder rüstig auferstehn.

In meiner altersphysiologischen Sentimentalität kommen mir die Tränen, wenn ich „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff lese oder höre.

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.
Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

Und mir gefällt sie, diese kontrovers gesehene „Kinderhymne“ von Bertold Brecht, die manche gerne als neue Nationalhymne ausweisen wollten. Ein wunderbarer – patriotischer – Text in unserer wunderbaren Sprache:

Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.

Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.

Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir’s
Und das Liebste mag’s uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.

Man lese auch mal wieder Heinrich Kleists „Michael Kohlhaas“.
„Der Kohlhaas“ war für mich ein erster Einsteig in allerhöchst-deutsche Prosa, eine bis dahin nicht gekannte Sprachvirtuosität, die Bilder im Kopf erzeugen kann, wie es nicht einmal im Film gelingt. Was eine Fuge von Bach in der Musik bewegen kann, ist diese Novelle von Kleist in der Sprache.

Ich hänge anscheinend nur einer vergangenen Vervollkommnung unserer Sprache an. Gehört „höchst-Deutsche“ Prosa nach meinem Verständnis seit Friedrich Nietzsche, seit Thomas Mann – so bange ich – der Vergangenheit an? Und bin so auf der Suche nach gegenwärtigen großen Reden, Aufsätzen, Erzählungen in unserer Sprache. Haben wir nicht so viele, aber möglicherweise vom journalistisch geprägten Denkart sich unterdrückend lassende Talente? Glaube ich doch.

Ich bin kein Literat, kein gelernter und damit vielleicht auch kein verdorbener Journalist. Nur ein Dilettant der Sprache und der „Schreibe“, aber zumindest ein Enthusiast für meine – unsere – deutsche Sprache und Literatur.

Natürlich verstoße ich rein sachlich bei der Abfassung dieses Artikels gegen eines meiner alten Prinzipien. Nicht mit einem edlen Schreibgerät habe ich das – vielleicht mit Tinte in Königsblau, auf Papier in mein Tagebuch geschrieben, sondern bequem an meiner „Apfel-Rechenmaschine“ verfasst, in die Tasten gepocht und es der angeblichen Unsterblichkeit im „Welt-Netz“ übergeben. Zumindest verbleibt der so immens wichtige Impuls vom Sprachzentrum des Großhirns zu motorischen Kernen und Bahnen, dann zur Hand und den Fingern – und zurück.

Ich strenge mich an, für meine Leser angeblich Vergangenes nicht vergehen zu lassen. Wie in diesen großartigen Essays von Gerd-Klaus Kaltenbrunner über den „Geist Europas“.
Mein „Grimmscher Wörterbuch-Kalender“ hat mich zu Schluss-Sätzen in alten deutschen „Redeblumen“ angeregt:
Denn so sitze ich wieder einmal krüppelkrumm vor der Gerätschaft, mittelst deren ich schreiben tue. Nicht trübetümpfelig kalendere ich darüber nach, ob ich kunstwörteln soll, Eiszapfenworte verwenden, um treuwohlmeinlich keine Auslachenswürdigkeiten von mir zu geben – oder, um auch Fitznasen zu beeindrucken. Lasse ich mich nicht vom Wintergewölk beeindrucken, das seit langem vor meinem Fenster aufstiegen ist. Die Leute sollen wissen: ein Muscheldasein oder ein saumseliger Honigschlummer im Faulbett waren sind nicht meins. Darum mögt ihr mein Firlefanzen ertragen und wobei ich hoffe, dass meine Gedankenarbeit, die ich manchmal schnabelschnell verbreite, nicht ein Quälodram ist.

„Pfui allen häßlichen Gewerben, an denen Wort und Wörter sterben“.

Friedrich Nietzsche

Wie kann ich anders, als zum Schluss noch mal in meinen deutschen Weltschmerz zu verfallen.
Es gibt eine unvergleichliche Symbiose von Dichtung und Musik – derart „artistisch“ ausgeprägt nur im Deutschen: das sogenannte Kunstlied.
Zu schöner Sprache gehört eine schöne Stimme und so hoffe ich die folgende kleine Auswahl erfüllt diesen Anspruch
„Pars pro toto“ portiere ich von Heinrich Heine geschaffene Gedichte, die dann von Robert Schumann in höchste Tonkunst überführt wurden, wie im Zyklus „Dichterliebe“.

Oder ins Volkslied:

Dann Matthias Claudius mit dem schönsten und versöhnenden Abendlied, das man sich vorstellen kann:


Schönste, ganz bestimmt unvergesslich schöne Gedichte, unter vielen anderen ausgewählt, lesen Sie in dieser kleinen Auswahl.

Ich reime mal die zweite Strophe unseres Deutschlandlieds verkürzend um:

Deutsche Worte, deutscher Sang,
müssen in der Welt behalten
Ihren schönen Klang!

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2 Antworten zu Was gleicht wohl auf Erden … der deutschen Sprache

  1. Gerhard Bauer sagt:

    Wie immer treffend und schön geschrieben.

  2. Elisa sagt:

    lieber altmod, ich schließe mich herrn bauers kommentar an. vielen dank für diesen beitrag.

    möglicherweise ist ihnen beiden die initiative des „verein deutsche sprache“ bekannt. der sicherheit halber kopiere ich aber doch nachfolgend die mir zugegangene mail ein:

    Liebe Unterzeichner unseres Appells an die Duden-Redaktion,
    haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Der bisherige Zuspruch ist überwältigend, sehen Sie doch mal auf der aktuellen Liste nach, mit wem Sie sich im gleichen Boot befinden: vds-ev.de.

    Auch die klassischen Medien entwickeln zunehmend Interesse, hier einige ausgewählte Beiträge der letzten Tage: br.de, mittelbayerische.de, nordbayern.de, saechsische.de.

    Viele von Ihnen sind ja auch schon Mitglieder des Vereins Deutsche Sprache, der diese Aktion betreibt. Falls Sie noch nicht dazugehören, hier können Sie beitreten: vds-ev.de/mitgliedschaft. Mit 30 Euro im Jahr sind Sie dabei, ich würde mich freuen. Aber auch durch reines Weitergeben dieses Aufrufs im Freundes- und Bekanntenkreis erweisen Sie unserer Sache schon einen wertvollen Dienst. Zeigen wir gemeinsam, wie sehr uns die deutsche Sprache am Herzen liegt – und wie wenig der Duden verstanden hat, dass Gleichberechtigung der Geschlechter nicht durch falsche Grammatik zu erreichen ist.

    Mit zuversichtlichen Grüßen,
    Ihr Prof. Dr. Walter Krämer
    Verein Deutsche Sprache e.V.
    Postfach 10 41 28
    D-44041 Dortmund

    https://vds-ev.de/allgemein/aufrufe/rettet-die-deutsche-sprache-vor-dem-duden/

    Telefon: 0231 – 79 48 52 0
    Telefax: 0231 – 79 48 52 1

    ich wünsche ihnen einen schönen sonntag!

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