Ein klein poetisch Panoptikum zu jetzig Zeiten

Tröstlich/Untröstliches aus dem deutschen Zitatenschatz – nicht nur zu Corona-Zeiten

Lockdown:

„Wirds aber unklar Wetter,
schneyt uns Unglück ins Haus,
so verleurt sich der Vetter,
die Freunde bleiben aus.
Frembd stellt sich auch der Schwager
und kompt nicht zu uns mehr,
wenn unser Supp ist mager
und unser Weinfaß leer.“
Anna Ovena Hoyers (1584-1655) – geistliche und weltliche Poemata

Vor und während der Krise …

„Derzeit fehlet Deutschland nichts. Es geht ihm so wohl, daß jeder hat, was er will. Es mangelt, daß die Frösche nicht Störche zu Königen haben. Wahrlich, es geht der Esel aufs Eis tanzen. Aber sie werden so lange Mutwillen treiben, bis daß der Herr kommt und sagt: Ich will dich Mores lehren, auf daß du wissest, ich sei noch Gott.“
Martin Luther – Predigten über das Buch Mose

„Wenn Torheit täte weh, oh welch erbärmlich Schrei´n
würd in der ganzen Welt in allen Häusern sein.“
Friedrich von Logau (1605-1655) – Sinngedicht Thorheit

Wissenschaftler: Drosten, Wieler, Lauterbach und Konsorten …

„Du willst bei Fachgenossen gelten?
Das ist verlorene Liebesmüh.
Was Dir mißglückt, verzeihn sie selten,
was Dir gelingt, verzeihn sie nie.
Oskar Blumenthal (1852-1917) – von der Bank der Spötter

„Die Gelehrten sind meist gehässig, wenn sie widerlegen; einen Irrenden sehen sie als ihren Todfeind an.“
J. W. Goethe – Maximen und Reflexionen

„Durch zweier Zeugen Mund,
wird allerwegs die Wahrheit kund.“
J. W. Goethe – Mephisto in Faust I

Über Feminismus und Frauen, auch wenn sie Mona Lisa heißen…

„Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz,
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
Zerreissen sie des Feindes Herz.
Nichts heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu,
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frey.
Gefährlich ist’s den Leu zu wecken,
Und grimmig ist des Tigers Zahn,
Jedoch der schrecklichste der Schrecken
Das ist der Mensch in seinem Wahn.“
Friedrich Schiller – Das Lied von der Glocke

Deutscher Rassismus

„Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan,
der Mohr kann gehen.“
Friedrich Schiller – „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“

„Was ist schwärzer als die Kohle?
Als die Tinte? Als der Ruß?
Schwärzer noch als Rab‘ und Dohle
Und des Negers Vorderfuß?
Sag mir doch, wer dieses kennt,
Es ist Bayerns neues Paralament.
Ludwig Thoma – „Eröffnungshymne“

„Es ging spazieren vor dem Tor
Ein kohlpechrabenschwarzer Mohr.
Die Sonne schien ihm aufs Gehirn,
Da nahm er seinen Sonnenschirm.
Da kam der Ludwig hergerannt
Und trug sein Fähnchen in der Hand.
Der Kaspar kam mit schnellem Schritt
Und brachte seine Bretzel mit;
Und auch der Wilhelm war nicht steif
Und brachte seinen runden Reif.
Die schrie’n und lachten alle drei,
Als dort das Mohrchen ging vorbei,
Weil es so schwarz wie Tinte sei!“
Heinrich Hoffmann (1809-1894) – Der Struwwelpeter

Jugend, Greta und Grüne:

»Die Jugend stellt es sich als ein Glück vor, aus dem Einheimischen wegzukommen und mit Robinson eine ferne Insel zu bewohnen. Es ist eine notwendige Täuschung, das Tiefe zuerst in der Gestalt der Entfernung suchen zu müssen. Der Jugend muß zuerst das Sehen und Hören vergehen. Sie muß vom konkreten Vorstellen abgezogen, in die innere Nacht der Seele zurückgezogen werden, auf diesem Boden stehen, Bestimmungen festhalten und unterscheiden lernen«
Friedrich Hegel – Ges. Werke, III.

„Kein schönrer Tod auf dieser Welt;
Als wer auf grüner Heide fäll!“
Karl Göttling (1793 – 1869) Kriegslied

„Es nahen jetzt dem Tisch, dem grünen,
Gestalten neu und unbekannt.
Wer sind sie?, fragen die Tribünen,
wer sind die Herren?, so fragt das Land.“
Aus „Der Kladderadatsch“ 1862 – Blaue Montagsbilder

„Früher, als ich unerfahren
Und bescheidener war als heute,
Hatten meine höchste Achtung
andere Leute.
Später traf ich auf der Weide
Außer mir noch andere Kälber
Und nun schätz ich sozusagen
Erst mich selber.“
Wilhelm Busch – Selbstbewußtsein

„Ihr bleibt bei meinen Worten kalt?
Euch guten Kindern laß ich´s gehen;
bedenkt: Der Teufel, der ist alt,
so werdet alt, ihn zu verstehen.“
J. W. Goethe – Faust II.Teil

Die Regierung, das Volk, die Demokratie …

„Nichts ist widerwärtiger als die Majorität, denn sie besteht aus wenigen kräftigen Vorgängern, aus Schelmen, die sich akkommodieren, aus Schwachen, die sich assimilieren, und der Masse, die nachtrollt, ohne nur im mindesten zu wissen, was sie will.“
J. W. Goethe: Maximen und Reflexionen

„Denken ist zynisch, es findet in Berlin statt…“
Gottfried Benn (1868-1956)

„So ist es wirklich denn geschehen,
was schlechterdings unmöglich schien.
Krähwinkel und Abdera sehen
sich übertroffen von Berlin.
Oh Großtat, ruhmvoll zu vermelden:
Beschränkter Köpfe Haß und Neid
versagt den Gruß dem greisen Helden,
dem Schöpfer deutscher Herrlichkeit.

Schad‘ aber wär’s, wenn ihre Namen
verschwänden in der Zeiten Lauf.
Man bring‘ sie unter Glas und Rahmen
und hänge sie im Rathaus auf,
damit auch noch Urenkel lesen,
wenn manches sich verändert hat,
was für Kamele einst gewesen
die Väter unserer großen Stadt.“
Peter Johannes Trojan (1837-1915) – Die Erbärmlichen –

„Lieber ein König, klug und fromm,
als eine Führerin aus Meck-Pomm.“
Zweizeiler aus den 30er Jahren – umgedichtet

„Die Gäste haben sich so zu verhalten, dass der Wirt sich wohlfühlt.“ lautet heute: „Das Volk hat sich so zu verhalten, dass die Regierung sich wohlfühlt!“
Umwidmung eines Spruchs aus einem brandenburgischen Wirtshaus

„Ein Volk, mein Volk, zum Klumpen geballt,
Nun gibt es kein Weichen, da gibt es kein Halt,
Das ist wie rollender Berg-Basalt,
Ist wie ein lebendiger, wandernder Wald,
Feuer und Meer, brüllend in Schauer und Blut,
Hosianna der Tat! Hosianna dem Mut!
Hosianna dem Schrecken! Hosianna der Wut!
Hosianna der Rache! Der Arm ist gereckt,
Nun zeigt jedweder, was in ihm steckt,
Nun brause, wie er brausen muß:
Furor teutonicus!
Das Schicksal will’s, das Schicksal sprach,
Nun, schrecklich Schicksal, lauf —
Es kracht Europens heiliges Dach,
Deutschland, steht auf!“
A. J. Winckler (1914)

Die Presse und Die öffentlichen Verleumder …

Den „Öffentlichen Verleumdern“, Denunzianten und Selbstgerechten wollen wir ob der gegenwärtigen Gewichtigkeit etwas mehr Platz einräumen:

„Ein Ungeziefer ruht
In Staub und trocknem Schlamme
Verborgen, wie die Flamme
In leichter Asche tut.
Ein Regen, Windeshauch
Erweckt das schlimme Leben,
Und aus dem Nichts erheben
Sich Seuchen, Glut und Rauch.

Aus dunkler Höhle fährt
Ein Schächer, um zu schweifen;
Nach Beuteln möcht‘ er greifen
Und findet bessern Wert:
Er findet einen Streit
Um nichts, ein irres Wissen,
Ein Banner, das zerrissen,
Ein Volk in Blödigkeit.

Er findet, wo er geht,
Die Leere dürft’ger Zeiten,
Da kann er schamlos schreiten,
Nun wird er ein Prophet;
Auf einen Kehricht stellt
Er seine Schelmenfüße
Und zischelt seine Grüße
In die verblüffte Welt.

Gehüllt in Niedertracht
Gleichwie in einer Wolke,
Ein Lügner vor dem Volke,
Ragt bald er groß an Macht
Mit seiner Helfer Zahl,
Die hoch und niedrig stehend,
Gelegenheit erspähend,
Sich bieten seiner Wahl.

Sie teilen aus sein Wort,
Wie einst die Gottesboten
Getan mit den fünf Broten,
Das klecket fort und fort!
Erst log allein der Hund,
Nun lügen ihrer Tausend;
Und wie ein Sturm erbrausend,
So wuchert jetzt sein Pfund.

Hoch schießt empor die Saat,
Verwandelt sind die Lande,
Die Menge lebt in Schande
Und lacht der Schofeltat!
Jetzt hat sich auch erwahrt,
Was erstlich war erfunden:
Die Guten sind verschwunden,
Die Schlechten stehn geschart!

Wenn einstmals diese Not
Lang wie ein Eis gebrochen,
Dann wird davon gesprochen,
Wie von dem schwarzen Tod;
Und einen Strohmann bau’n
Die Kinder auf der Haide,
Zu brennen Lust aus Leide
Und Licht aus altem Grau’n.“

Gottfried Keller (1819-1890)

„Willst wissen Du mein lieber Christ,
Wer aller Menschen Auswurf ist?
Die Antwort liegt ja auf der Hand:
Es ist allein der Denunziant.

Gefährlich ist ein toller Hund,
Gefährlich ist der Lügenmund,
Gefährlich ist, wer stiftet Brand,
Gefährlicher der Denunziant.

Verpestet ist fürwahr die Luft,
Wo athmet solch ein Schelm und Schuft.
Verpestet ist ein ganzes Land,
Wo schleicht herum der Denunzinant.

Der Wilde selber, der Barbar,
Der Afrikaner rohe Schaar
Hält hoch der Treue heilig Band,
Das frech entweiht der Denunziant.

Durchs ganze Leben Schimpf und Schmach
Geht ihm voran und folgt ihm nach.
Der Menschheit Schandfleck wird genannt
Der niederträcht’ge Denunziant.

Wird er erblickt in Freundeskreis,
Macht man ihm bald die Hölle heiß
Und ruft, ist er einmal erkannt:
Hinaus! Er ist ein Denunziant.

Und wenn er einst im Grabe liegt
Und seine Seel nach oben fliegt,
Ruft Petrus: Fort, Hallunk! Verbannt
Von hier ist jeder Denunziant.“

Max Kegel (1850-1902)


„Oh Freiheit süß der Presse!
Nun sind wir endlich froh.
Sie pocht von Messe zu Messe
In dulce jubilo.
Kommt, laßt uns alles drucken
Und walten für und für.
Nur sollte keiner mucken,
Der nicht so denkt wie wir.“
J. W. Goethe – Zahme Xenien

„Pressfreiheit steht denn oben an.
wo – welch absurdes Treiben!
Das halbe Land nicht lesen kann
Das andere nicht schreiben.“
Franz Grillparzer (1791-1872)

„Viele brauchen sich nicht zu bücken, die sind schon krumm.“
Einsicht eines Orthopäden

Widrig ist mir der Redner Geschlecht. Kalekutische Hähne
höre ich kollern am Markt, höre ich scharren am Platz.
Gaukler treiben mit Worten ihr Wesen, Lügner sie deuteln,
Retter, sie retten den Trug, Ärzte, sie scheuen den Tod.
Wollt Ihr betrügen das Volk, so schmeichelt ihm schamlos und lobt es,
dient ihm mit Worten zuerst, eh‘ ihr es redend beherrscht.
Hört, es schmeicheln Tribunen dem Volk, es jubeln Betrogene laut den Betrügern zu, die sie mit Netzen umgarnen.
Friedrich Georg Jünger (1898-1977) – „Der Mohn“

„Die ganze Welt ist voller Narren,
vom Hirten an bis auf den Pfarren.“
Christian Morgenstern (1871-1914)

An die noch „Freie Presse“

„Formulieren Sie Ihre Thesen auf das Rücksichtsloseste, denn Sie sind nur nach Maßgabe Ihrer Sätze vertreten, wenn die Epoche zur Rüste geht und dem Gesang ein Ende macht. Was Sie nicht aussprechen, ist nicht da. Sie machen sich Feinde. Sie werden allein sein, eine Nußschale auf dem Meer, eine Nußschale aus der es klirrt mit fragwürdigen Lauten, klappert vor Kälte. — Aber geben Sie nicht SOS. Erstens hört Sie keiner und zweitens wird Ihr Ende sanft sein nach so viel Fahrten.“
Gottfried Benn – Altern als Problem der Künstler

Hoffnung nach der Krise …

„Will unsre Zeit mich bestreiten,
Ich lasse es ruhig geschehn,
Ich komme aus anderen Zeiten
Und hoffe in andre zu gehn.“
Sören Kierkegaard (1813-1855)

„Es geht alles vorüber – es geht alles vorbei,
erst geht die Merkel, dann die Partei…“
Umdichtung eines Schlagertextes aus den 30er Jahren

„Wonach du sehnlich ausgeschaut,
es wurde dir beschieden.
Du triumphierst und jubelst laut:
Jetzt hab‘ ich endlich Frieden.
Ach Freundchen, rede nicht so wild,
bezähme deine Zunge.
Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,
kriegt augenblicklich Junge.“
Wilhelm Busch – Schein und Sein

„Frau Wirtin hat auch einen Traum,
der war so schön, man glaubt es kaum,
es war wie ein Te deum:
Sie sah die Führerin ausgestopft,
im Britischen Museum.“
Umdichtung eines Wirtinnen-Lieds – ursprünglich auf Hitler gemünzt

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2 Antworten zu Ein klein poetisch Panoptikum zu jetzig Zeiten

  1. Peter Helmes sagt:

    Herrliche Zitate! Sie passen haargenau.
    Schade nur, daß viele Leser/Hörer dies nicht ästimieren.
    Danke, lb. altmod, für dieses „Seelenfutter“!

  2. KW sagt:

    Die „noch freie Presse“ ist nicht überhaupt nicht frei. Selbst die JF hat vor gut 2 Wochen eine Menge Kommentatoren sperren müssen, darunter auch mich, nicht wegen eines Beitrages, wie der Chefredakteur in seiner Mail an uns alle betont, sondern wegen unserer Meinung, (die von den Maßgaben der Re-educationem der Alliierten erheblich abweicht) Wahrscheinlich hat Obama recht, der Irrsinn wird bis 2099 laufen.

    Sehr schöne Sammlung. Habe es in meinem Satireordner abgespeichert. Danke.

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