Coronakrise – Die Stunde der Bürokraten


1. Beispiel:

Die sächsische Sozialministerin Petra Köpping, SPD (früher SED 1986-1989), teilte in einem schriftlichen Statement mit:

„Es ist für unser aller Gesundheit und Leben wichtig, dass die Menschen sich an die Quarantäneanordnungen der Gesundheitsämter halten. Falls es im Einzelfall dazu kommen sollte, dass sich Menschen den Anordnungen widersetzen, ist es aber notwendig, die von den Gesundheitsämtern angeordneten Maßnahmen mit Zwang durchzusetzen. Dazu ist es möglich, diese Menschen mit einem richterlichen Beschluss in einem geschlossenen Teil eines Krankenhauses unterzubringen.“

Das sorgt natürlich beim Leser für Entrüstung. Dabei hat die Dame nichts als Tatsachen ausgesprochen, welche u.a. das Bundesseuchengesetz hergibt. Man müsste ihr für diese Offenheit eigentlich dankbar sein. Betrachtet man die Vita dieser bürokratisch geprägten Politikerin, gelangt man aber nicht unbedingt zu optimistischen Reflexionen.


2. Beispiel:

Beate Bahner, eine Fachanwältin für Medizin- und Gesundheitsrecht hat eine Normenkontrollklage beim Landesverfassungsgericht in Baden-Württemberg gegen die Einschränkungen der Grundrechte aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erhoben.
Das Ergebnis ihres 19-seitigen, begründeten Antrags: Die Staatsanwaltschaft Heidelberg und das Polizeipräsidium Mannheim teilen mit, dass jetzt das Staatsschutzdezernat der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg gegen die Anwältin ermittelt. Darin heißt es, sie soll über ihre Homepage öffentlich zum Widerstand gegen die staatlich erlassenen Corona-Verordnungen aufgerufen haben. Darüber hinaus soll sie dazu aufgerufen haben, sich am Ostersamstag bundesweit zu einer Demonstration zu versammeln.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Heidelberg und der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg hierzu dauern an.

 

3. Beispiel:

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat dazu aufgerufen, Bürger, die sich nicht an die Anti-Coronamaßnahmen halten, der Polizei zu melden. „Wenn Bürger feststellen, daß jemand Straftaten begeht, daß jemand sich rechtswidrig verhält, insbesondere dann, wenn man der Auffassung ist, da passiert etwas, was die Allgemeinheit gefährden könnte, dann schadet ein Anruf bei der Polizei nie“ sagte Strobl der Bild.

Der grüne Ministerpräsident Kretschmann stellt sich hinter seinen Minister und auch andere Spitzen-Grüne befürworten das Melden und Anzeigen mit der Begründung, es gehe ja um das „Retten von Menschenleben“.


4. Beispiel:

Monika Maron, eine bekannte Schriftstellerin wird aus ihrem Zweitwohnsitz ausgewiesen. Die Autorin habe nicht nur ihr Haus, sondern auch das Bundeslandesland Mecklenburg-Vorpommern zu verlassen, um sich an ihren Berliner Wohnsitz zu verfügen.

Ausreiseverfügung

I. Ich fordere sie auf, die im Briefkopf genannte Anschrift in …. und das Land Mecklenburg-Vorpommern unverzüglich, spätestens bis 09. April 2020, 8.00 Uhr zu verlassen.
II. Ich ordne die sofortige Vollziehung der in Fiffer I. bezeichneten Pflicht an, d.h. ein Widerspruch gegen diese Verfügung hat keine aufschiebende Wirkung.
III. Für den Fall, dass Sie ihrer in Ziffer I. genannten Pflicht nicht nachkommen, wird umgehend Strafanzeige gegen Sie erstattet (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen Infektionsschutzgesetz -IfSG).

 

Screenshot

Diese Verfügung ist natürlich „rechtens“ und kann moralisch gewiss auch wieder durch die Allgemeinphrase „Rettung von Menschenleben“ zu rechtfertigen sein.
Was besonders bei dieser „Ausweisungsverfügung“ auffällt, ist diese krude Bürokratensprache.

(Eine besondere „Ausweisungsverfügung“ hat in meiner Familie nahezu „epigenetische“ Folgen bis heute gezeitigt und mich auch darob sensibilisiert: die Benes-Dekrete zur Ausweisung (= Vertreibung) der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei 1946. Die Aversion gegen Derartiges wie „Ausweisung“ ist aber nicht nur im „Hausverstand“ der Sudetendeutschen verhaftet.)

 

Die Bürokratie

Nehmen wir uns mal eine historische, aber bis heute nicht falsche Definition von Bürokratie vor. Meyers Konversationslexikon definierte 1894 „Büreaukratie“ folgendermaßen:

„Büreaukratie (franz.-griech., „Schreibstubenherrschaft“), Bezeichnung für eine kurzsichtige und engherzige Beamtenwirtschaft, welcher das Verständnis für die praktischen Bedürfnisse des Volkes gebricht. Auch eine solche Beamtenschaft und ihre Angehörigen nennt man Büreaukratie. Der Boden der Büreaukratie ist der Absolutismus. Das bürokratische Regiment kennzeichnet die Zeit des Polizeistaates, der polizeilichen Bevormundung des Volkes während des 19. Jahrhunderts. Die Begründung der konstitutionellen Regierungsform, das freie Vereins- und Versammlungsrecht, die Bedeutung der Presse für die öffentliche Erörterung der Staatsangelegenheiten, die Anerkennung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und höheren Gemeindeverbände sind Momente, welche ein bürokratisches Regiment in der Gegenwart ausschließen …“

Das ist im Kern auch das, was in neueren Enzyklopädien abgehandelt wird.
Auf eher lobende Aspekte, wie sie Max Weber aufgelistet hat, will ich hier aber nicht eingehen.
Ergänzend sei noch ein Eintrag aus der letzten Brockhaus-Enzyklopädie angeführt:

„Die Neigung, rechtl. und administrative Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formprinzipien zu betonen, hat dazu geführt, daß der Begriff B. den Nebensinn von Engherzigkeit, Kleinlichkeit und Lebensfremd heiterhalten hat (das Entscheiden am >grünen Tisch<). So berechtigt diese Kritik ist, so sehr muß berücksichtigt werden, daß der unpersönl. Formalismus der B. zugleich eine Garantie für eine Verwaltungstätigkeit >ohne Ansehen der Person< bedeutet.“

Das sollte aber nicht unterschlagen werden.

Ludwig von Mises, der große libertäre Ökonom und Sozialphilosoph stellt einen Bezug zwischen Bürokratie und Totalitarismus resp. Sozialismus her. In seinem Werk „Die Bürokratie“* heißt es:

Totalitarismus ist viel mehr als bloß Bürokratie. Er bedeutet die Unterordnung des Lebens, der Arbeit und der Freizeit eines jeden Individuums unter die Anordnungen derjenigen, die an der Macht sind und ein öffentliches Amt bekleiden. Er bedeutet die Erniedrigung von Menschen zu Zahnrädern in einer allumfassenden Maschine von Zwang und Nötigung. Er zwingt das Individuum, auf jede Tätigkeit zu verzichten, die der Staat nicht gutheißt. Er toleriert keine abweichende Meinung. Er bedeutet die Umwandlung der Gesellschaft in eine streng disziplinierte Arbeitsarmee (wie die Anwälte des Sozialismus sagen) oder in ein Zuchthaus (wie seine Gegner behaupten). In jedem Fall bedeutet er einen radikalen Bruch mit derjenigen Lebensweise, der die zivilisierten Nationen in der Vergangenheit anhingen.
Er bedeutet nicht bloß eine Rückkehr der Menschheit zum orientalischen Despotismus, unter dem, wie Hegel beobachtete, ein einziger Mensch frei war und alle anderen Sklaven; denn diese asiatischen Könige griffen nicht in das Alltagsleben ihrer Untertanen ein. Den einzelnen Bauern, Viehzüchtern und Handwerkern blieb ein Bereich von Tätigkeiten, bei deren Ausführung sie vom König und seinen Anhängern nicht behelligt wurden. Sie genossen eine gewisse Autonomie innerhalb ihres eigenen Haushalts und ihrer Familien. Anders ist es im modernen Sozialismus. Er ist totalitär im strengen Sinne des Begriffs. Es hält das Individuum vom Mutterleib bis ins Grab hinein straff am Zügel. In jeder Minute seines Lebens ist der „Genosse“ zu unbedingtem Gehorsam gegenüber den Anordnungen der höchsten Behörde gehalten. Der Staat ist ihm Beschützer und Dienstherr in einem. Der Staat legt seine Arbeit fest, seine Ernährung und seine Freuden. Der Staat sagt ihm, was er zu denken und woran er zu glauben hat.
Die Bürokratie trägt zur Ausführung dieser Pläne bei. Doch es ist ungerecht, dem einzelnen Bürokraten die Mängel des Systems anzulasten, wie es einige Leute tun. Die Schuld liegt nicht bei den Männern und Frauen, die die Ämter und Büros besetzen. Sie sind nicht weniger Opfer der neuen Lebensweise als jeder andere. Das System ist schlecht, nicht die untergeordneten Handlanger. Ein Staat kann ohne Ämter und bürokratische Methoden nicht auskommen. Und da die gesellschaftliche Zusammenarbeit ohne einen bürgerlichen Staat nicht funktionieren kann, ist ein gewisses Maß an Bürokratie unerläßlich. Nicht den Bürokratismus als solchen verübeln die Leute, sondern das Eindringen der Bürokratie in alle Bereiche des menschlichen Lebens und menschlicher Betätigungen. Der Kampf gegen die Eingriffe der Bürokratie ist im wesentlichen ein Aufstand gegen die totalitäre Diktatur. Es ist eine unzutreffende Bezeichnung, den Kampf für Freiheit und Demokratie als einen Kampf gegen die Bürokratie zu bezeichnen.
Nichtsdestoweniger haben die generellen Einwände gegen bürokratische Methoden und Arbeitsweisen einen gewissen Gehalt. Denn deren Fehler deuten auf die wesentlichen Mängel jeder sozialistischen und totalitären Methode. Indem wir das Problem der Bürokratie gründlich erforschen, müssen wir schließlich entdecken, warum die sozialistischen Utopien völlig undurchführbar sind und in der Praxis nicht nur zu allgemeiner Verarmung führen, sondern auch zum Zerfall gesellschaftlicher Zusammenarbeit – zum Chaos. Daher ist das Studium der Bürokratie ein guter Ansatz für das Studium beider Systeme der gesellschaftlichen Zusammenarbeit, des Kapitalismus und des Sozialismus.

Da ist nicht viel hinzuzufügen. Wir haben uns schon einmal mit dem „Weg in die Knechtschaft“ befasst und ich will mich nicht wiederholen.
Es sollte das Augenmerk auf die Bürokratie und all die Bürokraten gerichtet bleiben, die jetzt ihr unverstelltes Gesicht zeigen. Nicht nur, wenn sie sich der „Lingua dominantium“ bedienen.
Denke ich an die Grünen, die Spezialdemokraten, die Christ“Demokraten“ der Merkel-Schäuble-Fraktion, gehören die auf die Couch des fiktiven Analytikers. Es ist aber so, wie vielfach in der Psychoanalyse oder -Therapie, dass derart Klienten mit solcher Methode nur selten geheilt werden können. Aber zumindest „versteht“ man – was die gängigste Rechtfertigung speziell erfolgloser Therapien und Therapeuten ist – und man kann anfangen, zumindest Schutzbarrieren zu konstruieren.

Es dient nicht der Sache, wenn man aus Wut oder Trotz seine Anwaltszulassung zurückgibt, wie es Frau Bahner tat. Sie sollte sich mit den so zahlreichen wachen Juristen, Anwälten und Staatsrechtlern zusammentun und die durchaus vorhandene, gebündelte Macht einsetzen, um das Rechtssystem und die Verfassung zu verteidigen.
Es ist die Aufgabe von Journalisten, die ihre unabhängige Profession ernst nehmen, immer und immer wieder auch auf den (verräterischen) Sprachgebrauch von Politikern und deren Büttel hinzuweisen und den zu analysieren.
Auch in ernsten Zusammenhängen – „Rettung von Menschenleben“ – sollte man die bürokratischen Gemüter bei formalen und sprachlichen Exzessen verdientem Spott und durchaus giftiger Ironie aussetzen. Gerade da sie ja für „tragische Ironie“ selbst sorgen.
Wir bräuchten da wieder einen Ludwig Börne, einen Karl Kraus. Wir bräuchten wieder echte, literarische Kabarettisten, die den Finger in die offensichtlichen Geschwüre legen, und nicht welche, die mit vom Anti-Nazi-Kampf verkrampften Hinterbacken und mit politisch korrekter Maulsperre über die Bühnen hampeln.

Ich habe in diesem Moment keine weiteren Vorschläge parat, außer den, doch den gesunden Menschenverstand walten zu lassen.
Mehr will und kann ich nicht sagen, denn es ist die Aufgabe der Besten in der Gesellschaft, Rezepte zu erstellen, wie wir aus dem entstandenen und noch entstehenden Schaden herauskommen werden. Es wäre auch die Stunde der Geisteswissenschaftler (Juristen, Historiker, Politologen etc.), ihre Stimme laut zu erheben, die freiheitliche Ordnung und die Demokratie zu stützen und das, was Naturwissenschaftler, Bürokraten und Politiker an Verwerfungen angerichtet haben, geistig, vom Überbau her wieder zu heilen. Zu verhindern, dass der Ausnahmezustand nicht zum Dauerzustand wird. In die Bürokratie wird man diesbezüglich keine Hoffnung setzen können.

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* Ludwig von Mises „Die Bürokratie“ – St. Augustin 2004

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2 Antworten zu Coronakrise – Die Stunde der Bürokraten

  1. Sobald „retten“ gebraucht wird, weiß man woher der Wind weht.

  2. Emil sagt:

    Leider gibt es noch zu wenige die einen gesunden Menschenverstand haben. Alleine die Meldung, dass blöd, blöder, Söder zum Krisenmanager mutiert und er als der nach Merkel Heilsbringer werden soll, läßt mich schon zweifeln.
    Er hätte schon längst als Vorsitzender der C haotisch S ubtilen U nion, diese unsäglichen Machenschaften der Merkelregierung auflösen können. Unter Strauß wäre das schon längst passiert indem er Trennung von der CDU veranlasst hätte.
    Er ist keinen Deut besser als Drehhoffer. Machtgeil und Rückgratlos.

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