Wagner und kein Ende …

Bayreuth als „Kraftort Hitlers“?

Sie können es nicht lassen, die Banausen, kulturellen Hinterwäldler, philiströsen Antifaschisten und die sich moralisch überhöhenden Anti-Antisemiten, sich an Richard Wagner und dem „Kultort“ Bayreuth zu reiben.
Ist ja alles auch ganz einfach: denn Wagner war ein streitbarer Antisemit – woran keiner ernsthaft zweifelt. Hitler ging als Verehrer seiner Kunst in der Villa Wahnfried bei Winifred Wagner ein und aus. Dass diese Busenfreundin, die Schwiegertochter Richards, eine unverbesserliche „Nazisse“ und Hitler-Bewunderin war, ist auch Tatsache („Also, wenn heute Hitler hier zum Beispiel zur Tür hereinkäme, ich wäre genauso so so so fröhlich und so so glücklich, ihn hier zu sehen und zu haben, als wie immer …“), wie man u.a. in dem verfilmten Interview von Hans Jürgen Syberberg nachverfolgen kann. Und da gab es deren ultrarassistischen Schwager Houston Steward Chamberlain, der ebenfalls in Bayreuth wohnte, ein wirklicher Ideenzulieferer für Hitler und die Nazis.
usw. usw. …

 

Auf dem von mir an sich geschätzten Blog „Philosophia Perennis“ von David Berger erschien nun aktuell ein Artikel mit der Überschrift
Bayreuth als „Kraftort Hitlers“: Frau Merkel, warum gehen Sie da hin?“

Der Artikel entpuppt sich als eine billige und ungebildete Anbiederung an den Anti-Antisemitismus, in einer primitiven Art, wie man ihn in dieser verstandesmäßigen Anspruchslosigkeit gar in deutschen „Qualitäts-Medien“ nur noch selten zu lesen bekommt. Man muss dazu sagen, dass es sich hierbei um ein Exzerpt eines umfänglicheren Beitrags der „Weltwoche“ handelt, der jedoch hinter der Zahlschranke liegt.

David Klein – ein „begnadeter“ jüdischer Jazzmusiker – aus Basel schreibt:

Oops, she did it again. Pfarrerstochter Angela Merkel, die Kanzlerin des Landes, dem die «Endlösung der Judenfrage» beinahe gelang, pilgerte am 25. Juli einmal mehr auf den Braunen Hügel zu Bayreuth, um dem Wagner-Clan die Aufwartung zu machen.
Einer Familie, die den Sieg der Weimarer Republik von 1918 verachtete, den Versailler Vertrag als «Schandfrieden» bezeichnete und deren Patriarch, der Komponist Richard Wagner, der unumstrittene Vorreiter des deutsch-nationalen Judenhasses und das prägendste Vorbild Adolf Hitlers war: „In Bayreuth wurde das geistige Schwert geschmiedet, mit dem wir heute fechten“, so Adolf Hitler.
Ist es mangelndes Feingefühl den deutschen Juden gegenüber, oder einfach nur Geschichtsvergessenheit, dass die Kanzlerin seit Jahren in Bayreuth über den roten Teppich flaniert, wo Wagner einst proklamierte, er halte «die jüdische Rasse für den geborenen Feind der reinen Menschheit und alles Edlen in ihr», Juden mit «Würmern» und «Ratten» verglich und nach einem Theaterbrand in Wien feixte, «es sollten alle Juden in einer Aufführung des ‹Nathan› verbrennen»?
Ziemt es sich für eine deutsche Kanzlerin, Hitlers «Hoftheater», wo man gemäß Wagner-Schwiegertochter Winifred, einer bis zuletzt reuelosen Antisemitin, «unentwegt an den Führer und die nationalsozialistische Idee glaubte», mit ihrer Dauerpräsenz zusätzliche Popularität zu verschaffen, während deutsche Nazis in Dortmund ungehindert «Wer Deutschland liebt, ist Antisemit» grölen?

Starker Tobak!

Aber nehmen wir uns einmal die einzelnen Aussagen vor.

Die Pfarrerstochter Angela Merkel … pilgerte am 25. Juli einmal mehr auf den Braunen Hügel zu Bayreuth, um dem Wagner-Clan die Aufwartung zu machen …
Man kann ganz stark davon ausgehen, dass Angela Merkel nicht etwa „dem Wagner-Clan ihre Aufwartung“ gemacht hat.
Sie ist als Kanzler gewiss nicht verpflichtet, jeglichen Kultur-Höhepunkt mit ihrer Anwesenheit zu adeln. Bei der ihr zugestandenen Nüchternheit – bei all meinen sonstigen  Vorbehalten gegen diese Frau – ist sie ganz sicher nicht derart Schicki-Micki-affin, sich ein Premierenspektakel anzutun, um dann mit Gottschalk und anderen „Kulturschaffenden“ abgelichtet zu werden.
Kann es nicht einfach so sein, dass sie Musik von Wagner grandios findet und sie sich somit Bayreuth „antut“?

Aufwartung „Einer Familie, die den Sieg der Weimarer Republik von 1918 verachtete, den Versailler Vertrag als «Schandfrieden» bezeichnete.“?
Wer in Deutschland damals – und auch im „feindlichen“ Ausland – hat den Versailler Vertrag 1919 und danach nicht als eine Art „Schandfrieden“ angesehen, da er den Alliierten Proklamationen, nicht nur dem 14-Punkte-Programm von US-Präsident Wilson, schließlich widersprach und den Keim für Revision und Rache legte.
1918 hat auch nicht „die Weimarer Republik gesiegt“. Sie entstand im Zuge der Novemberrevolution auf den Trümmern des Deutschen Kaiser-Reichs und es war in keiner Weise klar, welche Kräfte dort obsiegen würden. Mit der „Verachtung der Politik in der Weimarer Republik“ standen die überlebenden Mitglieder der Wagner-Familie nicht allein. Da sei nur neben den Deutschnationalen und den Nazis auch an die Kommunisten erinnert und an die vielen Deprivierten und Deprimierten aus wirtschaftlichen Gründen.

„In Bayreuth wurde das geistige Schwert geschmiedet, mit dem wir heute fechten“, so Adolf Hitler.
Das ist eine von vielen Floskeln eines ideologischen – natürlich hochgefährlichen und pathologischen – Spinners. Also ideologische Spinnerei, wie man es denn korrekterweise  benennen sollte.
Mit Wagner-Musik hat Hitler nicht „gefochten“, eher mit „Les Preludes“ von Liszt zur Unterlegung der gefilmten Schlachten in den Wochenschau-Wehrmachtsberichten – das nebenbei. (Liszt könnte natürlich auch verdächtig sein, da er Schwiegervater von Richard W. ist.)
Zum Antisemistismus Wagners ist zu sagen, dass seine diesbezüglichen Verlautbarungen gewiss nicht mehr an „ideologischem Pulver“ hergaben, als andere aus dem damaligen Zeitgeist – Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts – heraus entstandenen. An erster Stelle mit Einfluss auf Hitler ist gewiss Houston Steward Chamberlain zu nennen. Man denke aber auch an andere, die vorausgingen wie Hermann Wagener – ein Vertrauter Bismarcks, den Berliner protestantischen Hofprediger Adolf Stöcker, den Historiker und Reichstagsabgeordneten Heinrich von Treitschke usw. Gar der Jude Karl Marx selbst verbreitete Antijüdisches und auch Zeitschriften wie die Gartenlaube und der Simplicissimus waren da nicht unbefleckt.

Mit seiner Wagnerverehrung war Hitler unter seinen Gefolgsleuten und den „Hardcore“-Nazis ziemlich allein. Um das Festspielhaus zu den Aufführungen ausreichend zu füllen, bedurfte es nicht nur in den Kriegsjahren oft eines „Führerbefehls“, sodass die „heilige Halle“ oft mit teilnahmslosen und schnarchenden Nazis belegt war, was historisch belegt ist.

„Mangelndes Feingefühl den deutschen Juden gegenüber…“?
War es denn „mangelndes Feingefühl allen Juden gegenüber“, als der jüdische Dirigent Daniel Barenboim, der in Israel aufgewachsen ist, 2001 beim Israel-Festival in Jerusalem als zweite Zugabe die Ouvertüre von Richard Wagner zu „Tristan und „Isolde“ aufführte!? Er sagte, es sei künstlerisch wichtig, Wagner in Israel zu spielen. Er könne verstehen, dass Israelis schlimme Assoziationen mit Wagner verbinden. „Aber ich glaube nicht, dass sie das Recht haben, andere daran zu hindern, Wagner zu hören.“ Paradoxerweise sei es „eine Art Sieg der Nazis, Wagner nicht in Israel zu spielen“.
Vor einigen Jahren kam ich bei einer Parsifal-Aufführung in Bayreuth mit meinem englischsprachigen Sitznachbarn ins Gespräch, der sich dann als in England lebender Jude outete und der seit Jahren die Festspiele besucht. Und es gibt etliche Israelis, welche jährlich zu den Wagner-Festspiele nach Bayreuth reisen.
Es gibt immer noch große Vorbehalte gegen Wagner in Israel, aber es ist doch interessant zu sehen, dass es Juden sind, die auch heute wieder – wie auch schon im 19. Jahrhundert -zu den stärksten Verfechtern von Wagners Musik zählen: James Levine, Daniel Barenboim, Asher Fisch, Roberto Paternostro und Dan Ettinger, um nur einige zu nennen.
Jonathan Livny, Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbandes Israel sagt, „Die Person Richard Wagner mag ich nicht“, aber „Wagners Musik gehört der ganzen Welt“.

Die Kanzlerin verschafft mit ihrer „Dauerpräsenz“ u.a. der Wagner-Schwiegertochter Winifred „zusätzliche Popularität“.
Was soll das denn?
Ist Merkel mit der verstorbenen Winifred in (posthumer) Frauenfreundschaft wie aktuell mit Friede Springer und Liz Mohn verbunden? Nimmt sie bei Bayreuth-Aufenthalten ihr Frühstück in Wahnfried ein, um den Geist Winifreds und Richards zu beschwören?

Dass es deutsche Neo-Nazis gibt, die öffentlich antisemitische Parolen grölen, ist abscheulich. Aber man erkläre mir, was das mit Richard Wagners Musik zu tun?

In den Opern und Musikwerken Wagners selbst – anders als in seinen politischen Pamphleten – sind kein einziger antisemitischer Text oder solcherart Aussagen zu finden. Was man auch durch überdrehteste Ableitungen und Interpretationen immer wieder versucht, wie z.B. bei der aktuellen Inszenierung der Meistersinger in Bayreuth.
Übrigens in der musikalischen Realisierung eine Darbietung von Weltniveau. 

Mit der Frage, ob man durch zuviel Genuss von Wagners Musik zum Nazi mutieren könnte, hat sich schon mal der berühmte Kritiker Joachim Kaiser in seiner „Klassik-Kunde“ befasst. Unter anderem am Beispiel der Meistersinger konnte er den Anfragenden doch beruhigen.

 

„Oops, he is wrong again!“, kann man über David Klein, dem Verfasser von „Hitlers Kraftort“ in seiner eigenen Sprachwahl sagen. Für tiefgründige Betrachtungen ist wohl auch ein „begnadeter“ Jazzer nicht ausreichend genug beschlagen. Ein Mann der schon mal knackige Statements raushaut wie «Muslime, die Nazis von heute!», was ihm in seiner Heimat, der Schweiz, ziemlich Ärger einbrachte. Ein Verteidiger seiner hat denn von einer «Second traumatization» gesprochen, da sämtliche Urgrosseltern Opfer des Holocaust geworden waren. Doch selbst die Israelitische Gemeinde Basel musste sich Vorwürfe von David Klein gefallen lassen, wozu deren Präsident dann nur feststellte: «Seine Artikel (u.a. in der Weltwoche – d.Verf.) reflektieren seine private Meinung zu diversen jüdischen Themen und er tut dies ohne Auftrag …“.
Siehe dazu denn:
https://www.schweizamwochenende.ch/basel/der-missverstandene-131068613

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Eine Antwort zu Wagner und kein Ende …

  1. Hätte es Hitler nicht gegeben,worüber sollten sich diese Kerle dann auslassen und ihre Schmutzkübel und -phantasien ausschütten.
    Ich bin überzeugt, sie fänden etwas. Was einem innewohnt, kommt auch raus.

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