Proskriptionen, Reichsacht und die peinliche Halsgerichtsordnung

 Anno 2016

„Das Gesetz ist der Embryo des Terrors“
Nicolas Gomez Davila

 

Vorweg ein kleiner Ausflug in die (Rechts-) Geschichte.

Proskription (vom lat. Verb proscribere: ankündigen, öffentlich anbieten, ächten) bedeutete die öffentliche Ächtung römischer Bürger. Zu diesem Zweck wurde eine Proskriptionsliste – Proscriptio genannt – mit dem oder den Namen der Geächteten öffentlich angeschlagen. Die Proskriptierten wurden enteignet und ihre Vermögenswerte öffentlich und zugunsten der Staatskasse versteigert. Sie konnten ungestraft getötet werden, worauf oftmals sogar eine Belohnung ausgesetzt war. Erstmal nutzte der römische Diktator Cornelius Sulla das Mittel der Proskription in den Jahren 82 und 81 v. Chr., um seine Maßnahmen durchzusetzen, sich seiner Feinde zu entledigen und, nicht zuletzt, um sich Geldmittel zu verschaffen.

Die Reichsacht war im Mittelalter eine vom König beziehungsweise vom Kaiser erlassene Fried- und Rechtloserklärung, die sich auf das ganze Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation erstreckte. Der Täter wurde rechtlos gestellt, und jeder aus der Rechtsgesellschaft, der dies vermochte, konnte ihn dem Gericht zuführen oder ihn unschädlich machen. Im Mittelalter gingen Reichsacht und Kirchenbann Hand in Hand, deshalb: in Acht und Bann. Prominente Geächtete in der Geschichte waren Heinrich der Löwe, Martin Luther und Götz von Berlichingen.

Kaiser Karl V. schuf das erste deutsche Strafgesetzbuch, die Constitution Criminalis Carolina, deutsch „Peinliche Halsgerichtsordnung“ genannt. Die Carolina kannte neben Leibes- und Todesstrafen erstmals auch Freiheitsstrafen, die allenfalls bei leichtem Diebstahl verhängt werden konnten und vielmehr als eine präventive Sicherungsverwahrung für rückfallgefährdete Wiederholungstäter dienten. Unter die Halsgerichstordnung fielen die Kapitalverbrechen wie Mord, Totschlag, Raub, aber auch Verrat und Zauberei. Die Ordnung sah als Todesstrafe folgende Hinrichtungsarten vor: Verbrennen, Enthaupten, Vierteilen, Rädern, Hängen, Ertränken, Pfählen und lebendig Begraben. Verschärfend konnte angeordnet werden, dass der Straftäter zusätzlich zur Hinrichtungsstätte geschleift oder zuvor mit glühenden Zangen gerissen wird. An Leibesstrafen nannte die Carolina das Abschneiden von Zunge, Fingern, Ohren oder Nase. Weitere aufgezählte Mittel sind der Pranger und das Stellen in das Halseisen sowie das öffentliche Verprügeln.

Liest man das Alles, mag man sich glücklich schätzen, in modernen, aufgeklärten Zeiten zu leben, nicht mehr in einem „Reich“, sondern in unserer bunten Republik, im „freiesten Staat auf deutschem Boden“. Haben wir doch all die Atrozitäten aus dem alten Rom und all den deutschen Reichen hinter uns gelassen. Doch nicht zu schleunig zum Schluss kommen! Gibt es nicht schon wieder Proskriptionslisten, das offizielle Verfügen in Bann und Ach, und wie steht es um unsere heutige Constitution Criminalis?

Proskription
Im „freiesten Staat auf deutschem Boden“ droht einem Proskriptierten „nur“ der wirtschaftliche oder der gesellschaftliche bzw. bürgerliche Tod, die „consumtio famae“. Die staatliche Obrigkeit hält sich augenscheinlich vornehm zurück, lässt aber die schmutzige Arbeit der Observation, Denunziation mit Erstellung von Proskriptionslisten, wenn nicht vom Verfassungsschutz, von beauftragten „Dienstleistern“ durchführen: wie der „Amadeu-Antonio- Stiftung“ unter der Leitung einer geschulten Stasi-Informantin. Eine neue Qualität ist aktuell durch die Aktivitäten von privaten Werbeagenturen entstanden, welche doch außerhalb der staatlichen Sphäre, dem rein wirtschaftlichen Bereich verpflichtet scheinen. Inzwischen muss man auch von solchen Organisationen damit rechnen, dass diese z.B. nicht im offiziösen Gesinnungs-Kanon angesiedelte Meinungsblogs auf den Index setzen. Ein Mitarbeiter der Hamburger Werbeagentur Scholz & Friends (!) namens Gerald Hensel hat mit seiner Initiative „Kein Geld für Rechts“ einen solchen Boykottaufruf erlassen. Auf seiner Proskriptionsliste fanden sich z.B. die Netzzeitungen „achgut“ und „Tichys Einblick“. Ziel der Kampagne ist, diese unliebsamen Informationsmedien von Werbegeldern abzuschneiden. 1933 hieß es „Kauft nicht bei Juden“, 2016 „Lest nichts von Rechten“. Von diesem Schubiack Gerald Hensel distanzieren sich inzwischen Scholz & Friends recht katzenfreundlich. Wie lange? Die Branche der besonders „Kreativen“ scheint Gesinnungslumpen anzuziehen. Ich rede aus Erfahrung, wurde ich doch vor nicht allzu langer Zeit Ausspähungs-Opfer eines solchen Branchenangehörigen, eines „Freelance Texter, Konzeptioner, Creative Director“ aus dem Fränkischen, der mich auf seine persönliche Proskriptionsliste setzte; was denn auch von der lokalen Qualitätspresse sensationsgeil aufgenommen wurde.

Reichsacht
In die neuzeitliche “Reichsacht“ werden Einzelne und auch ganze Gruppen versetzt. Waren es zu Beginn des 30-jährigen Krieges die Parteigänger des protestantischen „Winterkönigs“ von Böhmen, Friedrich V. von der Pfalz, die gegen die habsburgische Reichsmacht auftraten, sind es heute unliebsame Parteien oder Bürgergruppen. Die AfD kratzt an der Macht der Etablierten, Pegida steht für das aufmüpfige Volk und so werden sie von staatlichen Vertretern – mit Hilfe ihrer Büttel, den Medien – in „Acht“ gegeben und gleichlaufend von Kirchenvertretern mit dem „Bann“ belegt. Den Ketzer und Agitator Martin Luther und den Aufrührer Götz von Berlichingen zeichnete nach der Überlieferung vor allem auch eine derbe Sprache aus. Derbe Sprache, wenn sie dadurch unverblümt Wahrheiten preisgibt, muss heute wie einst als ordnungswidrig und strafbewehrt angesehen werden. Das musste der einst wohlangesehene Krimi-Autor Akim Pirincci erfahren, als er begann, sich politisch zu artikulieren und einzumischen. Der türkischstämmige Prosaist wurde geschasst, als er sich als unverblümter deutscher Patriot zeigte und mit deftiger Sprache gegen all das polemisierte, was im bundesdeutschen Zeitgeist unberührbar angesehen wird. Der angepasste Buchhandel weigert sich jetzt, seine einst erfolgreichen und beliebten Bücher zu vertreiben. Pirincci ist sicherlich ein gleich schwieriges Geschöpf wie Luther oder der von Berlichingen. Aber heute scheint die Obrigkeit solche Personen genauso schwer aushalten zu wollen wie vor 500 Jahren.

„Peinliche Halsgerichtsordnung“.
Die physischen Prozeduren der „peinlichen Halsgerichtsordnung“ (peinlich von poenia = Strafe) sind wie die der altrömischen Proskriptionen in der „Moderne“ wohl nichtig geworden. Dafür erleben wir psychische Herangehensweisen in bisher nicht gekannten Dimensionen. Wir werden nicht mehr wirklich gerädert, gevierteilt oder geköpft (außer man fällt Vertretern einer bestimmten Friedensreligion in die Hände), nicht mehr real mit glühenden Zangen gerissen und uns die Zunge herausgeschnitten, wenn wir uns unbotmäßig erweisen. Doch: Das an den öffentlichen, sprich: An den medialen Pranger-Stellen, das Zwängen in das Halseisen der Zensur hat höchste Blüte; „Verprügeln“ geschieht rhetorisch in den Kommentaren der Büttel-Presse und den Geschwätz-Sendungen des Staatsfunks; das virtuelle „Zunge-Herausschneiden“ ist dort höchst im Schwange. All das mit einer Raffinesse und mit der Folge einer Vernichtung der Person, wie es sich Machiavelli hat nicht vorstellen können.
Verrat und Zauberei – heute heißt das Volksverhetzung, Hassrede, Gedankenverbrechen. Mord, Totschlag und Raub scheinen weniger der öffentlichen Aufmerksamkeit der „Halsgerichtsordnung“ wert, als Gedankenverbrechen von Rechts. Mord, Totschlag und Raub, wenn sie aus richtiger Manier, aus „Ehre“ oder aus sozialer Deprivation heraus begangen werden, erfahren von den Vollstreckern der neuzeitlichen Halsgerichtsordnung großzügige Milde. Eine Milde, auf die ein „Volksverhetzer“, der sich z.B. gegen dieserart positiver Volksgruppen-Justiz ausspricht, nicht unbedingt hoffen kann.

Proskription, Acht und Bann: „Es geschieht nichts Neues unter der Sonne“ heißt es schon im Alten Testament (Prediger 1,9).

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